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tiera (terra), üer (kerrum), ierba (kerba) verweist uns wieder anderseits auf rumänisches
piepten, sies, tiera, tier, ierbä, auf spanisches tierra, kierro, vsrda, auf wallonisches
tierre, ker. Gerade in vergleichender Hinsicht sind also ladinische Studien für den
Romanisten von einem nicht zu unterschätzenden Werthe.
Das Idiom eines jeden ladinischen Thals hat seine eigenen dialectischen Schätze,
ja selbst in einem und demselben Thal kann man oft zwischen den einzelnen Gemeinden
verschieden gefärbte Mundarten unterscheiden; besonders gilt dies von dem Thal
Enneberg, wo z. B. zu Colsosc und Corvara sich lautliche Abweichungen zeigen, die bei der
geringen Distanz beider Gemeinden umso auffälliger sind, so die unveränderte Erhaltung
des lateinischen ü in Colsosc, die Wendung nach ü in Corvara; fast möchte man sagen,
daß der lombardische Einfluß in seinem Kampfe gegen das reine römische Element in
diesem von den großartigsten Dolomiten eingeschlossenen Kessel Sieg und Niederlage
zugleich davontrug, daher aus der einen Seite mur (murus), üa (uva), seZü (seeurus), un
(unus), «Zur (ckurus), dagegen in Corvara mür, üa. seZa, ün, «Zar. Die Abweichungen
vom Enneberger Dialeet, die dem Linguisten in Colsosc ins Auge fallen, dürften zum
Theile wenigstens auf Einfluß des benachbarten Grödner Idioms zurückzuführen sein. Es
lassen sich überhaupt im Enneberger Thal drei lautlich bedeutend von einander abweichende
Dialecte unterscheiden, die Colfosker, die Abteier und die eigentliche Enneberger Mundart.
Unstreitig muß die erste von diesen als die reinste bezeichnet werden, wenn anders reine
Wiedergabe der ursprünglichen Laute, möglichst große Unabhängigkeit von fremdsprachiger
Beeinflussung in dieser Hinsicht maßgebend sind. Daß gerade St. Vigil und die Pfarre
Enneberg, wo man das reinste und beste Ladinische hat finden wollen, sogar lautlich, also
ganz abgesehen vom Wortschatz, vom deutschen Nachbarn in seinem Idiome stark beeinflußt
worden seien, wäre leicht nachzuweisen, eiu Blick auf die Karte genügt aber, um auch dem
Laien jene Gegend zu zeigen, die in Enneberg sich als die Trägerin und Pflegerin des
reinsten Ladiuismus rühmen darf. Ganz dasselbe gilt vom Grödnerthal; es ist unstreitig
falsch, wenn behauptet wird, daß die dortige Mundart eine einheitliche sei; erwägt man,
daß St. Ulrich, der Hauptort des Thals, 1590 Einwohner hat und daß die meisten der
760 nichtzuständigen Fremden Grödens auf St. Ulrich entfallen, daß der ganze Verkehr
mit den Deutschen fast ausschließlich ans den Hauptort beschränkt ist, so wird man schon
von vorneherein zugeben, daß das dortige Idiom, namentlich was den Wortschatz betrifft,
nicht dasselbe ungetrübte und unverfälschte Eolorit ausweisen kann wie dasjenige, welches
in St. Christina und noch mehr das, welches in Wolkenstein gesprochen wird; daß jedoch
vor mehr als hundert Jahren, wo in Gröben noch kein so reger Verkehr mit Schnitzwaaren
bestand und der Zudraug der Fremden ein minimaler war, das Idiom ein in jeder Hinsicht
einheitliches war, soll hiermit nicht bestritten werden. Analoge Abstusnngen bestehen auch
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch