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von Starkenberg. Neben den Minnesängern begegnen uns die tiefsinnigen Spruch- '
dichter: Meister Friedrich von Snnbnrg und Meister Stolle. Sie werden überragt
von dem Lehrdichter Heinrich von Bnrgüs (Burgeis), dessen „Seelenrath" selbst
dem wälschen Gast des Thomasin von Zirklarja an poetischem Werth und überhaupt den
meisten Lehrdichtungen der Zeit an Tiefe des Gemüthes, gesunder Lebensanschauung und
realistischer Darstellung überlegen ist. Der Verfasser lebte als Bruder des minderen
Ordens an der Scheide des XIII. und XIV. Jahrhunderts in Brixen, wohl als Beicht-
vater der Clarissen. Werthvolle Züge bietet sein Gedicht der Culturgeschichte dar und sein
Vers und sein Reim müssen für diese Zeit tadellos genannt werden.
Welche rege Theilnahme man der deutschen Poesie im XIV. und XV. Jahrhundert
entgegenbrachte, davon zeugen die Fragmente vieler Handschriften, die später leider
zerschnitten und zu Einbänden benutzt wurden. Neben den kostbaren Nibelungenhand-'
schristen wurden Bruchstücke von Gottfrieds Tristan, von Pleiers Garel, vom Buch der
Väter, von dergoldenenSchmiedennd vou den Mariengrüßen gefunden, wie auch Abschriften
des Passionals. Die große Handschrift der Christherrechronik, welche von Heinz Sent-
linger aus München zweimal, zuerst 1384 für Niklas den Vintler und dann 1399 für
Leopold den Vintler, geschrieben wurde, zeigt in ihrer Ausstattung, daß man für die Abschrift
eines poetischen Werkes, selbst wenn es 100.000 Verse zählte, keine Kosten scheute. Die
Sterzinger Miscellaneenhandschrist aus dem XV. Jahrhundert enthält in bunter Folge
deutsche und lateinische Gedichte, Satiren und Trinklieder, neben Hymnen und frommen
Liedern auch Pseudoueidharte und kann mit den cai-mina Kurana verglichen werden.
Schon am Ende des XIII. Jahrhunderts wurde die deutsche Prosa für amtliche
Zwecke gebraucht. Die Urbare des Grafen Meinhart sind in den Siebziger- und Achtziger-
Jahren geschrieben und neben den Habsburger Urbaren, die Franz Pfeiffer herausgegeben
hat, wohl die ältesten deutschen Denkmäler dieser Art. Am Beginn des XIV. Jahrhunderts
wurde das Sounenbnrger Urbar ins Deutsche übertragen. Manche Weisthümer reichen
bis in diese Zeit zurück, wenn sie uns auch nur in späteren Handschriften erhalten sind.
Fahrende Sänger durchzogen das Land und kehrten auf den Burgen ein. Graf
Meinhart wurde von ihnen besungen, Frauenlob besuchte das Land und frohe Lieder
ertönten am Hofe des heiteren Königs Heinrich von Böhmen und seiner lebenslustigen
Tochter Margarethe. Daß es auch im Lande selbst an Spielleuten nnd Sängern nicht
fehlte, melden zahlreiche Zeugnisse.
Das Land im Gebirge bildete die Brücke zwischen Deutschland und Italien. Von
beiden Seiten wurde unser Kunststreben beeinflußt. Auch auf dem Gebiete der Literatur
begegnen wir früh einer italienischen Strömung. Im Jahre 1411 übertrug Hans Vintler
das italienische Prosawerk ,?iori cki virtü-, welches dem Tomaso Leoni zugeschrieben wird,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch