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der Dichtkunst und dem Gesänge hold gewesen waren, so auch der lebenslustige Erzherzog
Sigismund (1439 bis 1490), dessen Gemalin Eleonore von Schottland den um 1480
erschienenen französischen Roman „Pontns und Sidouia" ins Deutsche übertrug. Sein
Nachfolger Kaiser Max, der letzte Ritter, förderte Kunst und Wissenschaft in großartiger
Weise. Der letzte Ausklang mittelalterlicher Ritterdichtung, der weitberühmte „Teuer-
dank", vom Kaiser selbst erfunden und ausgeführt, wurde von Marx Treizsauerwein
und später von dem Kaplan Melchior Pfinzing (gestorben 1535) geordnet und überarbeitet.
Viele der hier erzählten Abenteuer spielen in unserm Land Tirol, das dem Kaiser immer
nahe am Herzen lag. Und denselben Treizsauerwein, den Sohn eines Waffenschmiedes
aus Mühlau bei Innsbruck, hat er 1514 auch mit der Redaction der prosaischen
Erzählung vom „Weißkuuig" beauftragt.
In der stürmischen Zeit der Reformation brachen Hader und Kampf auch in unser
friedliches Bergland herein und der Bauernkrieg fand seinen lauten Widerhall in Tirol.
Solche Jahre sind den Musen nicht hold. Aber noch lebten das Volkslied und die Bergreien
der Knappen in Schwaz, Sterzing und Klausen fort und die streitlustige Zeit brachte
stachlige Spottverse gegen Rom und die Papisten oder tendenzfrohe Comödien, wie „Die
zwen steudt" von Vigil Raber (1535), an den Tag. Wie fromme Glockentöne aber klingen
einige Lieder unserer überzeugungstreuen Wiedertäufer in den brausenden Sturm hinein,
Lieder, deren Innigkeit und Wärme uns an den viel späteren Paul Gerhardt gemahnt.
Auf die lauten Stürme der Reformation folgte die traurige, unheimliche Zeit
der Gegenreformation. Da wurden nicht nur „luttrische" Bücher, sondern auch ganz
unverfängliche Dichtungen und harmlose Volksbücher (wie „Dietrich von Bern", „Ecken
Ausfahrt", „Eulenspiegel", „Kaiser Octavianns", „der deutsche Eato"), ja selbst fromme
Lieder confiscirt oder verbrannt. Ein unsäglicher Druck lag auf allen Gemüthern und die
sangesfrohen Knappen von Hall, Klausen und Schwaz räumten das Land. Auf lange Zeit
hinaus war der kindliche Frohsinn und die rechte Liederlust erstickt, die Dichtung in deutscher
Sprache völlig verdrängt. Selbst des gebildeten Lukas Geizkosler deutsche Verse sind meist
nur gereimte Prosa und auch in den dicken Folianten des Hippolyt Gnarinonins ist
gebundene und ungebundene Schreibart bunt gemischt; Gnarinonins (1571 bis 1654) hat
als erzherzoglicher Leibarzt zu Hall über die „Grewel der Verwüstung des menschlichen
Geschlechts" (Ingolstadt 1610) ein umfangreiches satirisch-didaktisches Werk geschrieben,
das noch heute namentlich dem Culturhistoriker Belehrung und Kurzweil gewährt.
Die Prosa drang in dieser Zeit auch in das Drama ein; das erste in ungebundener
Sprache abgefaßte deutsche Originaldrama ist unter dem Titel „Ein Schöne LomoecZi
Zpeeulum vitae kumunue, Ansf Teutsch Ein Spiegel des Menschlichen Lebens genandt",
1584 in Innsbruck gedruckt worden und hat den Urenkel des Kaisers Max, denErzherzog
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch