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Elemente auf Kunst und Künstler Einfluß zu nehmen begannen, blieb doch stets der
kirchliche Boden der fruchtbarste für alles künstlerische Schaffen.
Die gothische Bauform, die Hierlands ihre erste Anwendung an der im Beginn des
XIV. Jahrhunderts erbauten Dominicanerkirche zu Bozen gefunden hat, war für den
Monumentalmaler zwar beengender als die romanische mit ihren breiten Flächen, dafür
aber eröffnete dem Maler wie dem Bildschnitzer der in der Folge gerade durch einen
Tiroler Meister zu hoher Blüte gebrachte gothische Altarbau und die so beliebt gewordene
Tafelmalerei ein reiches Feld für künstlerische Bethätigung. Die Auflösung der Mauer-
flächen durch den neuen Stil, welche dem Maler oft nicht viel mehr als die Fenster übrig
ließ, hatte auch die Aufnahme und Entwicklung der Glasmalerei zur Folge, und schon im
XV. Jahrhundert hat das Land einen über die Landesgrenze hinaus bekannten Meister
aufzuweisen.
Die Zahl der aus dem XIV. Jahrhundert uns erhaltenen Kunstwerke ist sehr gering,
doch läßt sich aus der großen Anzahl der aus dieser Zeit uns namentlich bekannten Maler
auf das damalige rege Kunstleben schließen. So finden wir in der kleinen Stadt Meran
allein fünf Maler aus dem XIV. Jahrhundert urkundlich erwähnt, und zwar den Maler
Heinrich (zum erstenmal schon 1291), den Maler Christoph 1342, einen zweiten Maler
Heinrich 1351 bis 1363, den Maler Conrad 1378 bis 1388 und den Maler Fridlin.
Bozen erscheint um 1325 durch den Maler Meister Perchtold vertreten. Aus den wenigen
uns erhaltenen Werken tirolischer Maler des XIV. Jahrhunderts wollen wir der im ältesten
Schloßtheil von Runkelstein befindlichen charakteristischen Wandbilder, deren Auffassung
und Costüme ganz entschieden in diese Zeit fallen, etwas näher gedenken. Sie liefern den
Beweis, daß zur Zeit ihrer Entstehung der Maler schon nicht mehr ausschließlich auf kirch-
lichen Boden sich beschränkte und seiner Kunst die, wie es scheint, bis dahin verschlossenen
Thore unserer Burgen sich geöffnet haben. Die ul treseo ausgeführten Bilder enthalten
Darstellungen eines Ballspiels und eines mittelalterlichen Tanzes. Die mageren Gestalten
mit ihren nur wenig ausgeprägten Köpfen sind noch ohne künstlerisches Verständniß
gruppirt, mit geringem Aufwand von Farbe und mit mangelhafter Modellirnng gemalt.
Das goldene Zeitalter der Gothik in Tirol ist aber das XV. Jahrhundert. Die seit
dem Aufhören der inneren Wirren verhältnißmäßig ruhigen Zeiten, das fröhliche Gedeihen
der handelsbelebten Städte, der durch das Erschließen reicher Bergwerke wachsende
Wohlstand des Landes waren geeignet, eine Blütezeit auch der Kunst herbeizuführen.
Mit wahrer Begeisterung griff die Kirche wie die Laienwelt nach der gothischen
Kunstform, welche nicht blos auf die Architektur sich beschränkte, sondern alle Gebiete der
Kunst umschlang; denn selten blüht ein Kunstzweig allein, sondern er verkündet das
Blühen des ganzen Gartens.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch