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wirthschaftlichen Bedürfnisse (Milch, Zugkraft) zurückbehaltenen „Heimviehstand" meistens
die Stallfütterung in Frage, so daß der Bedarf an Stallfutter jenen des alpinen Weide-
futters in den meisten Gegenden unseres Theilgebietes beträchtlich übersteigt.
Da nun keineswegs überall in den tieferen Terrainabschnitten so viele und so
ergiebige Wiesen- und Ackerflächen vorhanden sind, auf denen das nöthige Stallfutter
für einen so großen Viehstand prodncirt werden könnte, wie er während der Alpzeit
auf den Hochweiden seine angemessene Ernährung findet, so gibt es Bezirke mit mehr
oder weniger großem Überfluß an Sommerweide, in welchen dieser Überschuß theils durch
Ausnahme von Vieh aus alpenarmen Districten, theils durch Zulauf von Thieren aus vieh-
reichen Gegenden des eigenen oder eines fremden Landes nutzbar gemacht wird. So weiden
im Sommer anf den Zillerthaler Almen zahlreiche Kühe aus dem Oberinn- und Wippthal,
im Lechgebiete solche aus Vorarlberg und dem baierischen Algän und kommen Tausende
von Schafen aus den südöstlichen Karstlandschaften sowie aus Unterungarn und selbst aus
der Balkanhalbinsel auf uord- und osttiroler Alpen, um im Herbst im weidegemästeten
Zustande als gesuchte Waare ins mittel- und westeuropäische Ausland verhandelt zu
werden.
Ein wirthschaftlich unentbehrliches Binde- und Übergangsglied zwischen der Ernäh-
rung des Viehstapels bei Haus und Hof und auf der Alpe ist die Waldweide, welche
überall gang und gäbe ist. Die in größerer Nähe der Ortschaften und Einzelngehöfte
befindlichen Waldungen werden namentlich im Frühjahr auf diese Nebennutzung stark in
Anspruch genommen; die oberen Gebirgsforste werden im Sommer von den Alpen aus
regelmäßig mitbeweidet und gewähren unter Einwirkung des dem Graswuchs fast mehr
als den Holzpflanzen zusagenden Hochgebirgsklimas an vielen Orten eine ganz erstaunliche
Futtermenge.
Wenn man sich die in der Regel sehr entfernte hohe, rauhe und schwer zugängliche
Lage, die gewaltige Ausdehnung, durchschnittlich ungünstige Bodenbeschaffenheit
und geringe Fntterprodnctionsfähigkeit des Alpweidebodens vergegenwärtigt, so wird
man keine allzu großen Erwartungen hinsichtlich der wirthschaftlichen Einrichtung und
Betriebsführung anf demselben hegen. Insbesondere wird man nicht jene idyllischen
Zustände voraussetzen, von denen auch in unserer hochgebirgs-wandernngslnstigen Zeit
noch so häufig gefabelt wird, oder welche landesunkundige Theoretiker ihren Tiraden über
den verwahrlosten Zustand unserer Alpenwirthschaft zu Grunde legen. Viel mehr Ursache
hat man, dem Erstaunen Ausdruck zu geben, wie es überhaupt möglich ist, daß Menschen
und „Haus"thiere durch zwei, drei oder vier Monate in den öden Wildnissen des Hoch-
gebirges auszuharren im Stande sind, wo alle Elemente nnbezwnngener Naturgewalten
ihr schauriges Spiel treiben. Es wäre zutreffender, die Almwirthschaft ausgeprägt
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch