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Freiherr von Stein, der Politiker, gewann oder festigte ohne Zweifel während seines
Prager Aufenthaltes jene tiefe Achtung vor dem Gefüge und Getriebe des vielhundert-
jährigen Habsburgischen Staatsverbandes, welcher er ein paar Jahre später in seinen
Vorschlägen zur Nengestaltnng Deutschlands so beredten Ausdruck gab. Die Rahel, nach-
malige Gattin Varnhagens von Ense, schrieb 1813 an eine Freundin: „Aber Prag ist
wunderschön! Solch ein Schloß, solch eine Stadt um das Schloß her, gibt es wohl nur
selteu in der ganzen Welt. Vieler und reicher Adel, Paläste, und das auch in den engsten
Gassen, die von altem großem Reichthum zeugen, die schönsten Spaziergänge. Dies die
Stadt an sich und sehr groß." Hormayr, auch eine der Berühmtheiten jener Tage, äußert
sich iu einem Empfehlungsschreiben für den Wallenstein-Förster: „Prag ist das öster-
reichische Moskau, es ist ein wahres Continental-Venedig und seine Rolle nnter den
Städten Europas noch nicht am Ende." Und in einem ?. 3.: „Prag — nnd Prag! Man
muß wirklich keine historische Ader in sich tragen, um nicht die Nothwendigkeit zu fühlen,
diese mahrhaft einzige Stadt in jedem Mai zu besuchen, und sollte man das Geld dazu
zusammenbetteln — mau wird um so reicher an grandiosen historischen Ansichten und fühlt
wohl auch allerlei prophetische Wallungen. Der Geschichtschreiber ist ja doch nur eiu
rückwärts gewendeter Prophet, wenn er anders ist, was er sein soll."
Schönes ernstes Räthsel, edle Hauptstadt, Spendete, zu forschen der Historie
Prag, wer sänge deines Lebens Tiefen, Wunder und des frisch gebliebenen Daseins
Der nicht fast ein Leben Kraft in deiner riesigen Gestalt!
So sprechen „die schöne Riesin" Friedrich und Karoline de la Motte FouquL an,
indem sie das Bedauern beifügen, in deren „Zaubergärten" kaum wenige Tage geweilt zu
habeu. Wie mächtig ergriffen schildert Grillparzer den Eindruck, den Prag auf ihn
gemacht, das ihn durch „das fortlebende, das alterthümliche zwischen und neben dem neuen"
an Venedig, durch viele seiner alten Bauten an Florenz erinnert.
Und dürfen wir Goethe vergessen, dessen Ausspruch nahezu in dieselbe Zeit fällt?
„ . . . . eine uralte große auffallend-sonderbar gelegene Hauptstadt, die nach dem gefähr-
lichsten Glückswechsel mehrerer Jahrhunderte noch immer besteht, theilweise zerstört, theil-
weise wieder hergestellt, bevölkert, entvölkert, immer im Leben wieder aufblüht und sich
in der neueren Zeit durch Vorstädte fröhlich ins Freie verbreitet."
Der deutsche Altmeister hat Prag mit eigenen Augen nie geschaut, er kannte es wohl
nur aus den Schilderungen, die ihm Graf Kaspar Sternberg, der ihn so oft zu einem
Besuch in seiner Vaterstadt einlud, geliefert habeu mochte. Darum hat Goethe in mehr
als einer Hinsicht etwas zu viel gesagt. Von einem „ins Freie verbreiten" war dazumal
keine Rede, und jedes andere Eigenschaftswort paßte anf das damalige Prag weniger als
das der „Fröhlichkeit". Eher warPrag mit jenen großen italienischen Städten zu vergleichen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch