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die, wie Verona, Ferrara, Mantua, einst Sitze selbständiger Fürsten, eines kunstliebenden
prunkvollen Hofhaltes gewesen, ihre alten baulichen Herrlichkeiten insgesammt erhalten,
aber Fürsten und Hofstaat und rasch pulsireudes Leben, mit Ausnahme einiger Verkehrs-
adern, verloren hatten. So machte auch Prag als Stadt im ersten Drittel unseres Jahr-
hunderts den Eindruck öder Verlassenheit. Konnte doch noch in den ersten Vierziger-Jahren
Moriz Hartmann in seinen „böhmischen Elegien", wohl dem tiefst Empfundenen, was er
je in Vers und Reim gebracht, singen:
Das stille Prag, dein» Lieblingskind,
Wie hat ihni stolz das Herz geschlagen In Zeiten, die entschwunden sind:
Jetzt gleicht's dein Bild auf Sarkophagen.
Und Friedrich Szarvady, in Ungarn geboren, der eine Zeit an der Prager Universität
mit Meißner und Hartmann einen poetischen Dreibund bildete, blickt, nachdem er der
liebgewonnenen Stätte schon lang Lebewohl gesagt, im Geiste träumerisch vom Hradschiu
hiuab auf die unzähligen Giebel und alten schwarzen Dächer. . . . „Es ist Mitternacht,
der Mond steht in voller Klarheit über der Stadt und spiegelt sich in den murmelnden
stillen Fluten der Moldau. . . Alles still und feierlich wie in einer Königsgruft. Die
hundert Thürme ragen in die Nacht empor wie die Masten steingewordener Schisse. . .
Doch nein, das ganze Prag ist jenes fabelhafte Schiff, das mit vollen Segeln stürmend
dahinsnhr, aber plötzlich zwischen Felsenklüften in den Lüften schwebend stecken blieb. Die
Sturmwelle, die es gehoben, wich zurück, und keine zweite kommt, es wieder emporzuheben
uud aus seinem Banne zu erlösen". . .
Ja Prag war dazumal, also noch nicht ganz fünfzig Jahre zurück, eine stille Sladt;
ihr Charakter, der Eindruck, den es übte, war der einer ernsten Schwermuth, des trübeu
Erinuerus an eine Zeit des Ruhmes uud Glanzes, die lang vorübergegangen, regsten
Lebens und Treibens, das nun erstorben. Es hatte seine riesige Ausdehnung von ehedem,
aber die Bevölkerung war zu gering für den Raum, den sie füllen sollte. Joseph Max
Freiherr von Liechtenstein: gibt (1817) die Häuser nach dem städtischen Hänserverzeichniß
mit 2890, die damalige Einwohnerzahl mit 79.606 Civilpersonen an. Das war die
Bevölkerung der von den alten Basteien eingeschlossenen Stadt, und eine nennenswerthe
andere gab es dazumal nicht. Das während der Belagerung durch die Schweden in Rauch
uud Asche aufgegangene öpitnlske pole, Spittelfeld (weil im Besitze des Spitalordens
der Kreuzherren mit dem rothen Stern), gegen die Zwanziger-Jahre zu Ehre» der
Kaiserin Karolina Augusta Karolinenthal genannt, war im Entstehen; ein paar Häuser
au der Landstraße, das vereinzelte Jnvalidenhans, alles Andere gegen den Zizkaberg hin
Gemüsebeete mit ärmlichen Gärtnerhäuschen. So war auch Smlchov eine schwache
Ansiedlnng längs der Chaussee; einen großen Theil der rechten Seite — vom Onjezd
5 Seil. Böhmens.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch