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ehemaligem vielverdienten böhmischen Obristburggrafen Franz Kolowrat-Liebsteinsky,
dem Gründer des böhmischen Museums, doch hat sie neuestens ihren alten Namen zurück-
erhalten.
Wir lassen den Graben zur Linken und betreten den zum „Wenzelsplatz" umgetauften
Roßmarkt. Wienach modernen Begriffen der „Graben" die schönste Straße, so ist der
„Roßmarkt" der schönste Platz von Prag, den Einige, weil er fast viermal so lang als
breit ist, gleichfalls nur als Straße, freilich von ausgedehnten Verhältnissen gelten lassen
wollen. Wir sehen ihn in seinem oberen Theile von zwei Doppelreihen von Laubbäumen
durchschnitten, die ihm bei Tage, sowie die glänzende Gasbeleuchtung bei Nacht ein
fesselndes Ansehen verleihen. In der Mitte der oberen Hälfte des Platzes befand sich
früher auf erhöhtem Postament ein Reiterbild des heiligen Wenzel, vor welchem, dem
ersten der Landespatrone zu Ehren, am Pfingstmontag 1848 jene heilige Messe abgehalten
wurde, die den Anstoß zu dem blutigen Juni-Aufstand gab; das Standbild ist seither von
seiner alten Stelle entfernt und auf dem Vysehrad nächst dem Propsteigebäude aufgestellt
worden. Die Höhe des riesigen Platzes nahm ehedem das „Roßthor" und nimmt jetzt
das im Prachtstil erbaute böhmische Landesmuseum ein, dessen Jnnenräume die
reichen Sammlungen dieses Institutes füllen; in dem „Pantheon", dem schönen Hauptsaal
des Gebäudes, fand unter den Anspicien Seiner k. n. k. Hoheit des Erzherzogs Karl
Ludwig als Stellvertreter Seiner Majestät des Kaisers am 18. Mai 1891 die feierliche
Eröffnung der böhmischen Akademie der Wissenschaften und Künste statt.
Von der linksseitigen Mitte des Wenzelsplatzes biegen wir in die „Heinrichsgaffe"
ein, deren Abschluß der freistehende massive und hohe Glockenthurm der St . Heinrichs-
kirche bildet. Dieses alte Gebäude steht nach der anderen Seite hin in einem interessanten
Gegensatz zu dem eben erst vollendeten Palaste der böhmischen Hypothekenbank auf
dem „Heuwagsplatz" und zu dem weiter liegenden „Stadtpark", der an die Stelle der
früheren Basteien und Stadtgräben getreten ist. In der Heinrichsgasse und auf dem
Heuwagsplatz, wie in allen Stadttheilen, die wir bisher durchschritten, sind die alten
Häuser in der Mehrzahl verschwunden und verschwinden von Jahr zu Jahr mehr; doch
hat sich in einem Winkel des Heuwagsplatzes noch jenes ältere Haus erhalten, das in
seinem Giebelfeld drei sprengende auf einander losschießende Reiter in Hautrelief zeigt.
Was die Reize des schön angelegten, üppig gedeihenden nnd sorgfältig gepflegten
Stadtparkes zu erhöhen nicht vermag, ist die unmittelbare Nähe des Bahnhofes der
Franz Josephs-Bahn, für den wohl eine andere Stelle ansznmitteln wäre. Minder störend
ist der Bahnhof der Staatsbahn, da dieser mehr gegen die Stadt zu gelegen ist. Der
Seitenfront desselben gegenüber befindet sich jenes militärische Backhaus aus der
Franzosenzeit, dessen früher gedacht worden.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch