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Mangel an Mitteln und wegen anderweitiger Beschäftigung matt geführt. Daher wurde
einigemal ein Waffenstillstand vereinbart uud im Jahre 1478 endlich in Olmütz Friede
geschlossen König Wladislaw behielt das Königreich Böhmen und Matthias verblieb
im Besitz von Mähren, Schlesien und der Lausitz, jedoch sollten diese Länder nach seinem
Absterben wieder an die böhmische Krone zurückfallen, und zwar gegen eine Entschädigung
von 400.000 ungarischen Goldgulden.
Damit war der Kamps beendet, aber die religiöse Spaltung in Böhmen wurde
dadurch nicht aus dem Wege geräumt, sondern infolge des langwierigen Krieges nur
noch mehr zugespitzt. Streitigkeiten der Katholiken mit den Utraqnisten waren an der
Tagesordnung, und da der König den Katholiken die Stange hielt, kam es einigemal
zu heftigen Ausbrüchen gegen die letzteren, so namentlich im Jahre 1483 in Prag, wo
die Rathhäuser aller drei Städte vom gemeinen Volke erstürmt und die verhaßten Raths-
herren auf der Stelle erschlagen wurden. Aber die Utraqnistenpartei sank dabei immer
tiefer. Die römische Kirche erkannte sie nicht an und sie selbst siechte seit dem Tode
Georgs hin wegen^ Mangel an festen Einrichtungen und wegen ihrer Zwitterstellung
nach innen und außen. Die Böhmen, welche bei dieser Consession nicht mehr die
Befriedigung ihrer Bestrebungen fanden, meldeten sich schaarenweise zur Brüderunität,
welche wohl aus geringen Anfängen entstanden war, aber infolge fester Organisation
und des Eifers für einen sittlichen Lebenswandel ungemein an Anhängern zugenommen
hatte, so daß sie schon zu Wladislaws Zeiten einige hundert Gemeinden bildete. Der Haupt-
sitz der Unität war Jungbuuzlau und das höchste Ansehen genoß in ihr damals Bruder
Lukas sowohl wegen seines religiösen Eifers als auch wegen seiner Gelehrsamkeit und
Umsicht. Zwischen den Katholiken und Calixtinern kam es wohl im Jahre 1485 in
Kuttenberg zu einer Übereinkunft, in welcher die beiden Parteien sich verpflichteten, einander
nicht zu schmähen und zu bedrücken, sondern sich in Allem uach den Eompactaten zu
verhalten, aber den Utraquisteu war damit nicht geholfen. Denn mit dem kirchlichen
Verfall verfiel auch die Moralität und sank die Bildung. Sowie die Brüder mit Ver-
achtung die Desorganisation des Utraquismus betrachteten, so war den humanistisch
gebildeten Katholiken die Unwissenheit des utraquistischeu Ekerns ein Greuel. Auch die
ehedem in der ganzen Welt hochberühmte böhmische Tapferkeit war unter Wladislaw im
Verschwinden und an ihre Stelle trat Indolenz, Egoismus und Verguügungssucht. Es
fehlte nicht an vorzüglichen Juristen (Victorin Koruel vou Vsehrd), Humanisten
(Bohuslav von Lobkowitz), Baumeistern und andern Künstlern, aber das Volk als Ganzes
siechte hin.
Am ärgsten wurde die Lage, als König Wladislaw im Jahre 1490 zum König
von Ungarn gewählt wurde und dorthin übersiedelte. Die Regierungsgewalt gelangte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch