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bei. Gleichwohl bildete sich in Böhmen langsam eine Partei, welche entschlossen war,
eine Änderung herbeizuführen. Fortan sollte die Krone nicht mehr bestohlen, ein hohes
Amt nicht zu Nichtswürdigkeiten mißbraucht, vielmehr die Macht der Krone erneuert
werden. Palacky - nennt diese Partei „die patriotische". Ihre Anführer, zu denen selbst
der Schwiegersohn Leo's von Rozmitäl, Herr Adam von Neuhaus gehörte, suchten Fühlung
beim Hofe und namentlich mit der jungen Königin Marie, mit welcher Ludwig im Jahre
1521 sich vermalte. Und sie brachten es zu Wege, daß das königliche Ehepaar im
Jahre 1522 nach Prag kam. Hier konnte sich der König von dem Treiben der damaligen
obersten Landesbeamten mit eigenen Augen überzeugen. Dem wurde ein Ziel gesetzt; kurz
vor seiner Abreise (1523) setzte er alle bisherigen obersten Beamten ab und bestellte an ihrer
Stelle andere, hauptsächlich Männer der patriotischen Partei. Oberster Burggraf wurde
Johann von Wartenberg, Oberster Kanzler Adam von Nenhans. Auch in den Prager
Städten, welche seit einiger Zeit zu einer Gemeinde verschmolzen waren, setzte er neue
Rathsherren ein und entnahm sie derselben Partei, der auch die obersten Landesbeamten
angehörten.
Das war ein großer Fortschritt. Nur auf diesem Wege war eine Besserung der
politischen Verhältnisse zu erreichen; leider wurde sie nicht erzielt. Die Mehrzahl
der Männer der patriotischen Partei war in religiösen Fragen dem neu auftauchenden
Lutherthum zugethan. Dieser Umstand wurde gegen sie ausgenützt. Zuerst wurde in den
Prager Städten der Widerstand gegen die Neugläubigen angefacht und bei der ersten
Erneuerung des Stadtrathes 1524 wurden die vom König im Jahre 1523 eingesetzten
Rathsherren nicht mehr gewählt. Primas wurde Magister Johann Pasek von Wrat, ein
Anhänger der Altutraquisteu und politischer Freund des Herrn Zdenek Leo. Magister
Pasek begann alsbald in Prag eine Schreckensherrschaft nach seinem Sinne auszuüben.
Einkerkerungen, Exilirungen, Vermögensconfiscationen wurden verhängt über alle seine
politischen, aber auch persönlichen Gegner, und das Alles that er unter dem Vorwand des
Glaubens. König Ludwig durchblickte diese Intrigue uicht, bestätigte die Gewaltmaßregeln,
nahm sogar Denunciationen gegen die der Ketzerei verdächtigen obersten Landesbeamten
an, welche er selbst bestellt hatte, und setzte sie endlich wieder ab (im Februar 1525). Herr
Zdenek Leo von Rozmitäl kehrte mit seinen Freunden auf die alten Ehrenstellen wieder
zurück. Er that in einer anderen Form dasselbe wie M. Pasek in Prag. Unter dem Mantel
des religiösen Eifers verfolgte er als Ketzer Männer, welche ihm in politischer Hinsicht
gefährlich waren.
König Ludwig kam bald zur Einsicht, daß die Confefsion nur als Deckmantel diene,
daß den aus Prag vertriebenen Bürgern Unrecht geschehen, und daß er die Amtsgewalt
gerade denjenigen anvertraut habe, welche am meisten zur Schmälerung der Kronprärogative
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch