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Monarchen für das Land und den Patriotismus der Bevölkerung zu glänzender Geltung
brachten und der hauptstädtischen Bürgerschaft auch zu materiellem Vortheil gereichten.
Die Steuern waren damals zwar hoch, aber lange nicht unerschwinglich. Böhmen
zahlte seine „Ordinari-Verwillignng", die mit der Mährens nnd Schlesiens in der Regel
etwa soviel betrug, wie jene Ober-, Nieder- und Jnnerösterreichs zusammen, dazu
die, natürlich der Höhe nach sehr wechselnde, „militärische Verwilligung", endlich wie
schon früher einen Beitrag zur Erhaltung der ungarischen Grenzfestungen und seit Kaiser
Ferdinand III. auch zur Besoldung der iu denselben liegenden Besatzungstruppen. Aber
die Ungleichheit in der Besteuerung war die alte und auch sonst stellten sich einer gleich-
mäßigen Steigerung des Wohlstandes aller Bevölkerungsclassen die schwersten Hindernisse
entgegen. Dies galt namentlich von den Bauern. Seitdem es eben am Schluß des
XV. Jahrhunderts den Großen des Landes gelungen war, aus dem freien Bauer Böhmens
einen Hörigen, ja sogar einen Leibeigenen zu machen, war dessen Lage immer trauriger
geworden. Nu«, nach Ausgang des großen Krieges, lagen die Dinge für ihn möglichst
schlimm. Die letzten Reste freier Bewegung waren vernichtet, die Obrigkeit in allen
richterlichen und politischen Dingen die einzige Instanz. Der Grundherr hatte das Recht,
über Leben und Tod der Unterthanen zu entscheiden und alle Verhältnisse nach eigenem
Gutdünken zu regeln, während die Naturalleistungen und die Frohnen (Robot) den
Bauernstand materiell aus die tiefste Stufe herunterbrachten. Alle Männer von 18 bis
55 Jahren, alle Weiber von 17 bis 50 Jahren waren in vielen Fällen durch fünf, ja
sogar auch durch sechs Tage in der Woche, im Sommer und Winter, robotpflichtig, so
daß ihnen nur der Sonntag oder die Nacht zur Bestellung der eigenen Felder und
Wirthschaften übrigblieb. Selbst die Kinder mußten sich als Viehhüter oder zu anderen
leichteren Arbeiten gebrauchen lassen, während das Zugvieh der Bauern vor Allem zur
Bestellung der Arbeit auf den herrschaftlichen Gründen diente. Der Ertrag der auf so
kümmerliche Weise bestellten Felder, Wiesen und Gärten wurde zum größten Theil von
Zehenten und einer Unzahl anderer Giebigkeiten absorbirt. Während die Herrschaft den
Preis bestimmte, um welchen der Bauer sein Vieh und sein Getreide an sie abgeben mußte,
wurde ihm das kranke Vieh und schlechte Getreide des Herrenhoses weit über den Werth
aufgedrängt. Er durfte nur iu der Mühle der Herrschaft mahlen lassen, ohne gegen die
Betrügereien der Müller geschützt zu sein. Kein Wunder, daß er und die Seinen beständig
am Hungertuch nagten und, da jede Widerspenstigkeit unbarmherzig mit schweren Geld-
strafen oder der Peitsche (karabäö) geahndet wurde, alle Klagen aber nur zu härterer
Behandlung führten, die Bauern oft Haus und Hof verließen oder Hand an sich selbst legten.
Die ungeheueren Besitzveränderungen während des großen Krieges und auch noch
nach demselben brachten einen zahlreichen fremden Adel, wie die Eggenberg, Dietrichstein,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch