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eindringen. Dem PräHistoriker könnte eine ordentliche Durchforschung der Bevölkerung in
den einzelnen Gegenden viel erzählen. Es möchte sich hier dann nicht blos um physische
Unterschiede zwischen der eechischen und deutschen Bevölkerung handeln, sondern auch
um die Constatiruug der Unterschiede zwischen den verschiedenen Gegenden mit ursprünglicher
eechischer Bevölkerung. Es steht wenigstens fest, daß ein erfahrener Mann, der das
cechische Volk gut kennt, sehr gut eiuen Unterschied macht oder sich dessen wenigstens
bewußt ist, daß ganz anders ein Bauer aus der Umgebung des Georgsberges, ganz anders
der Gebirgsbewohner im Riesengebirge, anders die Bevölkerung im Böhmerwalde aussieht,
daß der Typus von Tabor sich von jenem von Strakonitz unterscheidet n. s. w. Für den
Anthropologen entsteht hier das Problem, ob diese Unterschiede sich erst entwickelten,
als das einheitliche cechische Volk das ganze Land besetzte, durch den Einfluß verschiedener
Milliens, in denen in verschiedenen Gegenden das Volk lebte, oder ob dieselben auch
ohue diesen secundären Einfluß schon früher begründet waren. Es ist durch neuere
geschichtliche Forschungen festgestellt, daß die slavische Bevölkerung Böhmens ursprünglich
nicht einen einzigen Stamm bildete, sondern aus mehreren Stämmen bestand, unter denen
der Stamm der Cechen im Laufe der Zeit die Herrschaft über die andern erlangte, sie
zu einem Staate vereinigte uud allen seinen Namen gab. Weiter ist es wahrscheinlich,
daß nicht alle diese Stämme auf einmal hierher kamen, sondern daß schon früher ein
Theil derselben das Land besetzte, daß also manche Stämme hier längere Zeit hindurch
in einem anderen Millien lebten als die anderen slavischen Stämme, daß sie sich mit
anderen Völkern berührten und vermischten, und daß also die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen ist, daß sich in jener Zeit, in welcher das ganze Land von Slaven bezogen
wurde, die verschiedenen slavischen Stämme bereits auch Physisch vou einander unterschieden.
Verschiedene, bis jetzt freilich vou Laien angestellte Beobachtungen sprechen wenigstens
dafür, daß Spuren jener ursprünglichen Verschiedenheit der eechischen Stämme in der
böhmischen Bevölkerung sich heute noch erhalten haben. Wenn es wahr ist, was z. B.
Dr. I. Plc erzählt, daß sich die Bevölkerung in der Gebirgsgegend am nördlichen Laufe
der Jfer und Cidlina bedeutend von dem Volke im Südwesten unterscheidet, und zwar
nicht blos durch die körperliche Erscheinung, sondern auch durch seine Bräuche, seine
Tracht, Bauart, ja sogar auch diabetisch, dann ist die Ansicht sehr wahrscheinlich,
daß diese zwei verschiedenen Gruppen der Bevölkerung uns vielleicht zwei verschiedene
ursprüngliche slavische Stämme repräsentiren: die Ehorvaten am Fuße des Riesen-
gebirges und die an der mittleren böhmischen Elbe wohnenden Psovanen, welche nach
den Nachrichten des Annalisten Eosmas in diesen Gegenden ansässig waren. Im Norden
herrscht angeblich ein hoher, schlanker männlicher Schlag mit langem Gesicht vor, die
Weiber dagegen zeigen einen kleinen Wuchs. Bei beiden sind blaue Augen nnd lichtes oder
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch