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Zeit haben sich jedoch die Familien so vermehrt, daß neue Ansiedlnngen begründet werden
mußten. Diese erhielten dann neue Namen, die zumeist den Charakter der Ortsanlage
oder die Sitten der Bevölkerung bezeichneten: V^soeane Hügelbewohner, I^Sune
Waldbewohner; nicht selten waren es Spitznamen, wie ?rex>xcl>7 tw,, der
Übermuth, St^skal^ Raunzer, vibokluv^ Kratzköpfe, oder sie bezogen sich auf die
Beschäftigung oder das Handwerk, das von der Bevölkerung eines Dorfes ausgeübt
wurde, z. B. Xod^lmk^ Pferdezüchter, ötiwrv Schildmacher, LoloäHe Wagner, ^1) älo-
vai'v Seifensieder.
Die patriarchalische altslavische Lebensart erlitt schon im X. Jahrhundert n. Chr. in
Böhmen so manche Veränderungen. Die Prager Fürsten verbreiteten und befestigten ihre
Herrschaft über alle slavischen Stämme in Böhmen und brachten auch sehr viel von Grund
und Boden an sich. Damit lohnten sie auch zum großen Theile den Adel für geleistete
Dienste. Die Fürsten und Herren bevölkerten ihre Besitzungen, die oft nur Waldeinöden
waren, mit Colonisten, die aus den Familiendörfern kamen und Begründer neuer Dörfer
wurden. Diese hatten keine Stammeinrichtung und demzufolge auch keine patronymischen
Namen, sondern wurden nur nach der örtlichen Lage (topische Namen) oder nach
dem Begründer benannt. Große Veränderungen gingen im Verlaufe des XIII. Jahr-
hunderts vor sich, als sich in Städten und am Grenzwalde deutsche Colonisten nieder-
ließen. Neben den dentschen Dörfern wurden in jener Zeit und auch später böhmische
begründet; die neuen Dörfer basirten auf emphyteutischem Rechte und hatten eine ähnliche
Einrichtung, Bodenvertheilung und ähnliche Begünstigungen wie die Colouieu mit
deutscher Bevölkerung. Ein solches Dorf mit böhmischer Bevölkerung wurde auf eine
bestimmte Zeit «Ikota* (Freiung) genannt, während welcher es von Abgaben oder
Zinsen befreit war, begründet und oft einfach nur ,I.kota« genannt. Solche Dörfer gibt
es noch heutzutage in Böhmen über 300.
Einheimische Wirren, namentlich die husitischeu Kriege habeu so manches Dorf
zerstört. Da in Folge dieser langwierigen Kriege die böhmische Bevölkerung bedeutend
abgenommen hatte, so blieben jene Einöden lange Zeit hindurch brach, bis sie später,
manche erst im XV I. Jahrhundert, erneuert wurden; die Grundstücke eingegangener
Ansiedluugen wurden vermessen und vou der Herrschaft an neue Colonisten verkauft.
Außerdem wurden im XVI. Jahrhundert ganz neue Dörfer angelegt, wenn auch nicht so
zahlreich wie im XIII. Jahrhundert, und zwar dort, wo früher andere Dörfer eingegangen
waren, oder in einer Gegend, die noch mit Wald bedeckt war. Nach dem ruhigen
XVI. Jahrhundert kam die Schreckenszeit des XVII. Jahrhunderts. Während des dreißig-
jährigen Krieges verschwanden in Böhmen zahllose Dörfer ganz von der Oberfläche und
nur wenige wurden später erneuert.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch