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auf einem steinernen Postament, in welches man einen Vers aus der heiligen Schrift und
den Namen des Gründers in Goldbuchstaben eingegraben hat. Vor dem Dorfe selbst
pflegt ein solches heiliges Zeichen oder eine gemauerte einfache Kapelle mit nur einer Nische
und mit einer häufig hinter einem Gitter befindlichen Statuette zu stehen; mit Kalk einfach
gestrichen, erglänzt sie in ihrer weißen Farbe unter der breitkronigen Linde weit in die
Gegend hinein, in ihr frisches Grün, wenn das ganze Dorf in ein Blütenmeer getaucht
ist, oder sie prangt über den Feldstreifen mit reifendem Getreide in der klaren Luft eines
schwülen Sommertages.
Die ursprüngliche Form des böhmischen Dorfes war rund oder oval; schon durch
diese Gestalt, die der Familieneinrichtung entsprach, ward sie zum Symbol und Ausdruck
der Familieneinheit. Derartige Dörfer sind noch jetzt, wenn sie auch durch spätere Zubauten
Vieles eingebüßt haben, in großer Zahl vorhanden, besonders in den zuerst bevölkerten
Gegenden. Um einen freien, in der Regel ziemlich geräumigen Platz reihen sich die Gebäude,
indem sie ihre Front und ihren Giebel diesem Platze zukehren. Das ursprüngliche Dorf
bildete also ein rundes Ganzes, das nach außen hin durch Planken, durch gezimmerte
Einfassungszäune oder durch Mauern, welche die hinter jedem Gebäude befindlichen Gärten
und daher auch dieses selbst schützten, gedeckt war. Manchmal bot auch ein Bach oder ein
Fluß mit seinem Ufer, hinter dem die ursprüngliche Ansiedlung begründet wurde, zur Zeit
der Gefahr Schutz. In ein solches rundes Dorf führte und führt oft auch noch heutzutage
nur ein Zugang, dem gegenüber am anderen Ende es nur einen Ausgang gibt, abgesehen
vom Wege, auf dem das Vieh auf die Weide getrieben wird (prükon). Der Platz selbst
ist rund, manchmal nicht regelmäßig, indem er in manchen Dörfern sogar die Gestalt eines
Rechtecks annimmt, obgleich es hier und da Dörfer mit kreisrunden Plätzen gibt (Bysicky,
Väpensko bei Podebrad, Svrabov bei Schwarzkostelee); heutzutage hat übrigens die
Mehrzahl der runden Dörfer mehrere Aus- und Eingänge. In Pfarrdörfern steht die
Kirche auf dem Platze, manchmal in der Mitte, manchmal in ihrer Nähe. Hat das Dorf
keine Kirche, so hat es doch eine Kapelle, zumeist ebenfalls in der Mitte des Platzes, wo
auch ein, manchmal sogar zwei kleine Teiche prangen. Dort erglüht auch die Esse der
Dorfschmiede, dort pflegt auch das Hirtenhaus, in welchem der Gemeindehirt logirt, zu
stehen, jetzt aber häufig auch — ein Armenhaus.
Nachdem die altslavische Stammeinrichtung eingegangen war, hörte man wohl
auch auf, runde Dörfer zu bauen. Die neuen Dörfer wurden, da sie nicht Angehörige eines
Stammes anlegten, in Form einer Gasse gebaut, so wie es auch häufig die Localverhältnisse
erheischten, denn die neuen Ansiedler drangen von der Ebene weiter gegen das Gebirge, ja
bis in dieses vor, wo es dann in den Thälern, an einem Bach oder Fluß am zweckmäßigsten
war, derartig zu bauen. Hier sind die Gebäude mit ihrer Front gegen den Weg gerichtet,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch