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bei der Landtafel und starb als Privatmann im Jahre 1520. Reiches Wissen, glänzende
Rednergaben und stilistische Gewandtheit verschafften ihm einen klangvollen Namen, so
daß man ihm unter den zeitgenössischen Humanisten nach Lobkowitz die nächste Stelle ein-
räumte. Aber dieser Ruf bewog ihn nicht, die nationale Fahne zu verlassen und sich mit
den reinen Latinisten in eine Reihe zu stellen. „Da ich ein Böhme bin, will ich lateinisch
lernen, aber böhmisch schreiben und sprechen" — das war seine Devise, die er gewissenhaft
einhielt und der gemäß er in seinen Schriften wahre Muster edlen böhmischen Stils
hinterließ. Victorins Werk: „0 prävielr ?emö öeske Knills ckevaler^ (Neun Bücher
vom Recht und Gericht in Böhmen) ist ein Muster classischer Prosa.
In gleicher Richtung bewegte sich auch Gregorius Hruby vouJeleul (gestorben
1514), ein hervorragender BürgerPrags aus derZeit Wladislaws ll., ein classisch gebildeter
und durch seltene Charakterreinheit ausgezeichneter Mann. Seine literarische Thätigkeit
beschränkte sich fast ausschließlich auf Übersetzungen von ethischen, manchmal auch satirischen
Schriften, insbesondere eines Joh. Jovianus Poutauus, Franc. Petrarca, Erasmus von
Rotterdam. An Kernigkeit des Ausdrucks kaun er sich wohl mit Vsehrd messen, weniger an
Gewandtheit und Glätte des Stils. Des Gregorius Vorliebe für classische Studien ging
auch auf dessen Sohn Sigismund (LiZismunäus (Zelemus) über, der nach dem Jahre
1520 einer Aufforderung des berühmten Erasmus von Rotterdam folgend sich in Basel
niederließ und dort bis zu seinem Tode (1554) in der bekannten Frobenianischen Druckerei
sich in hervorragender Weise an der Ausgabe antiker und kirchlicher Classiker betheiligte.
Gleiches Streben nach Ausbildung der Nationalsprache belebte auch eine»
jüngeren Humanisten, Wenzel Pisecky, der als Reisebegleiter und Mentor des Sigis-
mund Geleuius während dessen Studien an Italiens Hochschulen in blühendem Alter
zu Venedig an der Pest starb (1511). Er war der erste Böhme, der sich gründlicher in
das Studium der griechischen Sprache vertiefte und auf dem Wege der Vergleichnng
die Überzeugung gewann, daß die böhmische Sprache bei gehöriger Pflege nicht nur mit
dem Latein, sondern auch mit dem Griechischen den Wettkampf aufnehmen könnte. Um
dies zu beweisen, befaßte er sich in Italien mit Jsokrates und übersetzte von dessen Reden
als Probe die Mahnung an Demonikos, die er dann als Zeichen seiner Freundschaft
Sigmunds Vater zuschickte. In der unmittelbar folgenden Zeit zogen vielen Vortheil aus
den Clafsikern Nicolaus Kouäc vonHodistkov (gestorben 1546), Prager Buchdrucker
und zugleich Laudesbeamter, ferner Ulrich Velensky von Mnichov, ein Landedelmann
ritterlichen Standes, eine Zeit lang auch Buchdrucker, Johann Ceska, Erzieher im Hause
Perustein, und Andere.
Die bisher genannten Männer waren sozusagen die Pflanzer des heimischen
Humanismus, aber ihr Bestreben ging nicht blos dahin, die Schriftsprache in stilistischer
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch