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sondern auch Angehörige des Volkes tragen ihr Scherflein bei, indem sie fromme Gefühle
zum Ausdruck bringen und im Gesänge Seelentrost und Gemüthsruhe wiederfinden. Es
entstehen umfangreiche Cancionale, Antiphonarien und Graduale, werden nicht selten
prachtvoll ausgestattet und bald mit größerer, bald mit geringerer Sorgfalt geordnet.
Unter den Utraqnisten bildeten die Grundlage ähnlicher Gesangbücher die reichhaltige»
Sammlungen des Priesters Wenzel Mirlusky (gestorben 1492), die nach dem Jahre
1520 aus Handschriften im Druck herausgegeben und namentlich durch Johauu
Täborsky von Ahornberg (seit 1567) vermehrt wurden. Eine Anzahl von Liedern,
die wegen der Glätte der Form und Anmuth der Melodie allgemein beliebt waren,
dichtete der Slovake Johann Sylvanus (gestorben 1573); anch andere Namen
kommen ziemlich häufig vor, aber der ursprüngliche Charakter der Lieder nähert sich
immer mehr der evangelischen Richtung, die von Deutschland aus über Böhmen
unaufhaltsam sich ausbreitete. Ein Übergangsstadium läßt sich in vielen Cancionalen,
welche im Verlaufe des XVI. Jahrhunderts an verschiedenen Orten aufkamen, ganz
deutlich verfolgen, so z. B. in dem Gesangbuche des Johann Mnsophilus von
Sobeslau (gestorben circa 1585) und Thomas Resätko von Schüttenhofen (gestorben
1602), die beide noch immer conservativ verfuhren. Viel weiter ging das Gesangbuch des
Valeutiu Subar von Landskron (gestorben 1593) und andere, die am Anfang des
XVII. Jahrhunderts erschienen, bis endlich die Änderung im Sinne des Lutherauismiis
völlig durchgeführt wurde.
Größere Erfolge als die Utraquisten erzielte auf dem Gebiete des geistlichen Liedes
die Gemeinde der böhmischen Brüder. Hier hat man nämlich die Produktion nicht dem
freien Willen und Eifer des Einzelnen überlassen, sondern systematisch dafür gesorgt,
daß die Zahl angemessener Lieder in Gesangbüchern dauernd erhalten werde. Zu derartigen
Sammlungen wurden die achtbarsten und fähigsten Männer berufen (z. B. Br. Lukas,
Johann Roh, Johann Blahoslav), welche eifrigst darauf bedacht waren, daß Alles, was
im Namen der Gemeinde herausgegeben wurde, auch das Gepräge des echten Glaubens
und gottgefälligen Sinnes an sich trage. Der Erhöhung des dichterischen Werthes
durch Wohllaut der Sprache und Tadellosigkeit des Verses widmete man in der Regel
weniger Sorgfalt, ja manchmal, wie z. B. unter Br. Roh, wurde absichtlich einfache
Nüchternheit angestrebt; nur der Reim und Anpassung des Textes an den Gang der
Melodie wurde gefordert. Erst unter Blahoslavs Redaction, die im Jahre 1561 das
berühmte Samotuler Cancionale (wiedergedruckt 1564 in Eibenschütz und 1576 in
Kralitz) zuwegebrachte, wurde, soweit es thunlich war, die Aufmerksamkeit auch der
änßeren Form der Lieder zugewendet und dieser Standpunkt bei den späteren Ausgaben
gleichfalls festgehalten. Von einzelnen Verfassern, deren Lieder meist mit bedeutenden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch