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Markolt und Salomon, Fortunatas und viele andere. Die reinste und unstreitig auch
ergiebigste Quelle volksthümlicher Uuterhaltuug, das Märchen und die Sage, fanden nur
theilweise Berücksichtigung, und zwar in der bekannten Chronik des Wenzel Häjek
von Libocau, iu welcher ein ganzer Schatz namentlich von Ortssagen der Vergessenheit ent-
rissen vorliegt.
Den eigentlichen Mittelpunkt der literarischen Thätigkeit bildet auch in dieser Zeit
die lehrhafte Prosa. Zwar gibt es hier, wie bereits erwähnt, weder durch absolute
Originalität hervorragende, noch streng wissenschaftliche Werke, aber dafür überrascht der
äußere Umfang der Literatur, der von einem früher nie dagewesenen Maße allgemeiner
Bildung zeugt; auch die formale stilistische Gewandtheit macht den besten Eindruck.
Die älteren Humanisten, namentlich Gregorins Hruby von Jelenl und Victorin Cornelius
von Vsehrd, bahnten den Weg zum Fortschritt: ihnen folgt auf dem Fuße eine zahlreiche
Schaar, von welcher einzelne meist in der Theologie, dann in der Jurisprudenz und in
der Geschichte hervorragen; fast bei allen ist das Streben nach Universalität, welches aus
dem Humanismus hervorquoll, klar zu erkennen. Am deutlichsten und vollkommensten
zeigt sich dieses Streben zur Zeit Rudolfs II. in der polyhistorischen Thätigkeit Daniel
Adams vonVeleslavin (1546 bis 1599), der zuerst als Universitätsprofessor, dann
als Verwalter und Eigenthümer einer großen Druckerei in Prag wirkte und mit Hilfe
einiger Freunde im Laufe von etwa zwanzig Jahren die böhmische Literatur mit so vielen
Werken bereicherte, die Schriftsprache so hob und veredelte, daß man die Zeit seiner Wirk-
samkeit mit Recht die Veleslavinische Ära nennen kann.
An Zahl der einschlägigen Werke überragt alle übrigen Gruppen die Theologie.
Im Vordergrund stehen Bibelübersetzungen, die seit Wladislavs Zeiten mit großem
Aufwände gedruckt wurden: die Prager Bibel (1488), die Kutteuberger (1489),
ebeuso wie die nachfolgenden mit zahlreichen Holzschnitten ausgestattet, die Venediger
(1506), zwei Prager Ausgaben des Paul Severin (1529 und 1537), die Nürn-
berger von Leonhardt Milchthaler (1540) und fünf besonders zierliche Drucke des
berühmten Prager Typographen Georg Melantrich von Aveutiu (1549,1556,1560,
1570, 1577), sämmtlich nach der Vnlgata hergestellt und im Wortlaut des Textes nicht
viel von einander abweichend. Den Höhepunkt erreichte diese verdienstliche Thätigkeit durch
die ausgezeichnete sechstheilige Kralitzer Bibel, deren Text in den Jahren 1579 bis
1593 von den hervorragendsten Theologen der Brüdernuität in Mähren aus der hebräischen
nnd griechischen Sprache ins Böhmische übertragen wurde.
Außer der Hermeneutik uud biblischeu Exegese, auf welche sich der theologische
Scharfsinn coucentrirte, sind in cultnreller Hinsicht die dogmatisch-polemischen Schriften
äußerst wichtig, besouders jene, welche mit dem Ursprung und der Entwicklung der
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch