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war er mit dem fünften Buche, der Hälfte des Werkes, fertig. Beendet wurde es erst
zwischen 1284 und 1287 und als Ganzes dann dem jnngen König Wenzel II. gewidmet,
von dessen Freigebigkeit der Dichter seinen Lohn erwartete. Bald darauf dichtete er ein
kleineres episches Werk, das er selbst nur ein Büchlein nennt, den Wilhelm v on Wenden
(zwischen 1287 und 1291). Dieses Werk ist der Gemalin Wenzels, der Königin Gnta
gewidmet. Der Stoff ist der Legende von Placidus-Eustachius ähnlich. Ulrich hat hier
noch viel deutlicher als im „Alexander" verschiedene Anspielungen auf den König und die
Königin angebracht. Der Name Wilhelm von Wenden (das heißt von Slavenland) gehört
schon dahin, da seine Vorlage von einem Wilhelm von England berichtete; ebenso daß die
Gemalin des Helden nach der Königin von Böhmen (Gnta) Bene genannt wird. Den
Schluß des Gedichtes bildet ein Gebet zur Himmelskönigin um Segen für das Königs-
paar. Die Königin starb aber schon 1297 und auch des Königs Gunst scheint dem Dichter
nicht bis an seinen Tod treu geblieben zu sein, denn wir finden ihn zuletzt bei Borso II.
von Riesenburg (dem Enkel des in der Geschichte Ottokars viel genannten Borso), für den
er eine Fortsetzung des „Alexander" begonnen, aber nicht beendet hat. Wahrscheinlich ist
er während dieser Arbeit gestorben.
Auf Wunsch des jungen Königs von Böhmen hat auch Heinrich der Klausner
eiue Marienlegende gedichtet, die einigermaßen an den „Geiger von Gmünd" erinnert.
Der fromme Sinn des Königs zeigt sich in der Begünstigung solcher Dichtung. Wie aber
in den Werken Ulrichs von Eschenbach fromme Entsagung und kecke Sinnlichkeit, Welt-
flucht und Weltfreude merkwürdig vermischt sind, so berichten die Chronisten von zahllosen
Werken der Frömmigkeit des Königs, aber auch von seiner Hinneigung zu schönen Frauen.
Ja, König Wenzel II. dichtete selbst Minnelieder. Das eine fand so großen Beifall,
daß es sofort von dem Fürsten Wizlav von Rügen nachgeahmt wurde. Es zeigt auch in
der That große Formvollendung und ein eigenartiger Grundgedanke ist sinnig durchgeführt.
Das zweite nimmt ausdrücklich Bezug auf das erste, das dritte ist eiu Wächterlied iu der
Art, wie sie Wolfram zuerst gesungen. Auch im Ausdruck und in der Wahl der Bilder
erinnert manches an diesen oder seine Nachahmer, manches andere wieder an die späteren
Lyriker. Heinrich Frauenlob wurde ja auch von den damaligen Dichtern in Prag viel
bewundert und bei dem großen Feste im Jahre 1297 war er selbst in Prag, erfuhr die
Gunst des Königs und rühmte ihn noch nach dem Tode im Lied.
Damals war aber der König nicht mehr der einzige Gönner deutscher Dichter und
dentscherDichtkunst inBöhmen. In der „Kreuzfahrt des Landgrafen Ludwig des Frommen"
werden die böhmischen Könige gepriesen, der Dichter rühmt aber auch den Herrn Ulrich (II.)
von Neuhaus, dessen Freigebigkeit und Gastlichkeit er erfahren hatte, und dessen Mutter
Maria, geborue von Pleieu-Hardegg. Diese überlebte ihren Gemal lange und auf ihre
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch