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Tonarten des Drama's, setzte dem bürgerlichen Trauerspiel Lessings eine „Miß Nelly
Randolph" an die Seite nnd huldigte den heimischen Erinnerungen durch ein Schauspiel
„Libnffa". Komarek, Buchhändler seines Zeichens, brachte es zu einigen Bühnen-
erfolgen, die bis in unser Jahrhundert hinein vorhielten. Seine „Maria von Montalban"
war das Ergötzeu unserer Urgroßväter. In seinem „Albrecht von Waldstein, Herzog von
Friedland", einem Trauerspiel, das er gleichzeitig mit Schiller und unabhängig von diesem
verfaßte, ging es wild nnd blntig genug zu. Viele Züge des polternden Stückes zeigen,
daß der Autor dieselben Quellen benützt
hat wie unser großer Nationalpoet.
Diesem Getriebe der Schaffenden
und Versuchenden stand die Universität in
Prag ungemein nahe. Ein schöngeistiger
Drang war über die gelehrten Herren
gekommen. Von den vier Professoren,
welche nach und neben einander die
Geschichte und die Regeln der schönen
Künste lehrten, unterließ es keiner, der
Theorie das Beispiel hinzuzufügen und
sich dichterisch zu versuchen, obgleich nnr
Einer ans dieser Grnppe poetisch ver-
anlagt war. Selbst der nrtheilsscharfe
Seibt, dessen ganzes Wesen auf reflecti-
rende Klugheit gestellt war, trat mit der
Tragödie „Gabriele Montaldo" als Be-
werber um den Lorbeer auf. Unter den
Schülern, deren stilistische Arbeiten -—
August Gottlieb Meißner, Dialoge und Erzählungen — der an-
regende Mann 1784 in einem starken
Bande als „Akademische Blnmenlese" veröffentlichte, befand sich einer, Anton Breicha,
der vvm Hörsaal schnnrstraks zur Schauspielertruppe überging und schon ein Jahr später
mit eiuer Tragödie hervortrat.
Züge der Gewaltsamkeit und der Selbstüberschätzung, die an die Periode Gottscheds
erinnern, waren unverkennbar an der übereifrigen Kathederpoetik jener Tage. Uberwiegend
aber war das Verdienst der anregenden Kraft, welche zwar keine Dichter erzog, aber den
Sinn für Dichtung hob nnd für die Tage der schaffenden Geister den Boden bereitete.
Der Universitätsprvfefsor Karl Heinrich Seibt , ein Landsmann Lessings, ist der Zeit nach
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch