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In allen diesen Monats- und Wochenschriften war die Absicht stärker als das
geistige Vermögen. Je weiter sie sich von dem Einfluß ihrer Gründer entfernten, desto
mehr verseichteten sie; den Versuchen in schwierigen poetischen Formen, an denen der
Schweiß der Anstrengung klebte, fehlte der starke gegenständliche Gehalt. Noch war der
öffentliche Geist nicht erstarkt, noch war der Moment nicht gekommen, in dem das
Volksthum sich auf sich selbst besann und muthig seine Kräfte regte, noch bedurfte jedes
Bestreben aus dem Gebiete der schöneil Literatur der Stützen, welche die Wissenschaft und
die vom Glücke begünstigten Gesellschaftskreise bieten konnten. Es gab noch keine pul-
sirende, treibende und spornende Gegenwart im Sinne unserer Tage, aber man war doch
reis genug, um diesen Zustand der Rnhe als einen ungesunden zu fühlen, und rief die
Vergangenheit heran, um eine bessere Zukunft vorzubereiten. Deutsch und slavisch war
damals im Bewußtsein der überwiegenden Mehrheit noch nicht getrennt; heimatlich,
vaterländisch war die allgemeine Losung, und aus der großen deutschen Bildungsquelle
schöpften alle miteinander die Kraft, welche vorwärts kommen wollten. Die königlich
böhmische Gesellschaft der Wissenschaften, welche 1784 entstanden war, bebaute
insbesondere das Feld der heimischen Geschichte. Dobner, Dobrovsky, Pnbitschka und
Pelzel thaten sich als Historiker hervor, die Professoren Anton Müller und Wenzel
Swoboda setzten Geschichte in Verse um. In der Aristokratie, dem einzigen Theile der
Gesellschaft, der weder den Druck des kleinbürgerlichen Lebens, noch den der staatlichen
Zustände empfand, war die Anregung der Jofephinischeu Zeit nicht erstorben, traten immer
wieder Männer auf, welche die Pflichten ihres Standes fühlten nnd Vorrechte durch
Vorzüge wettzumachen versuchten. Auf Nostitz, den Begründer des deutschen Theaters,
folgte im Grafeu Franz Hart ig ei» eifriger Förderer der Künste und Wissenschaften.
Das Hans des Oberstburggrafen Kolowrat-Liebsteiusky zog Künstler und Schriftsteller
von uah und fern heran. Hier war es, wo Heinrich von Kleist im Jahre 1809 ein neues
Drama, vermuthlich den „Prinzen von Homburg", vorlas und wo er den Plan zn seiner
Zeitschrift „Germania" entwickelte, in der er alle deutschen Männer gegen den Corsen in
Wehr und Waffen rufen wollte. Der bedeutendste Mann, der aus diesem Kreise hervorging
und auf gauz Böhmen bestimmend einwirkte, war Graf Kaspar Sternberg, den ein
beruseuer Mund den Altmeister der deutscheu Naturforschung genannt hat. Ihm war die
Förderung der Literatur in Böhmen nicht nur die Erfüllung einer Standespflicht, sondern
innerstes Herzensbedürfuiß. Er hatte die Weihe Italiens empfangen und die Bildung
Deutschlands eingesogeu, eiu Priester Gottes uud der Natur in Regensbnrg gewirkt, als
er im Jahre 1806 seine Domherrnstelle niederlegte, um fortan ganz den Wissenschaften
zu leben. Der Befehl, ein Tedcum für Napoleons Siege abzuhalten, gab den Ausschlag für
die Demissiou. Als Sternberg im Jahre 1810 in seine Vaterstadt Prag zurückkehrte,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch