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böhmischen Elegien geht wie ein rother Faden durch die Dichtungen seines ganzen Lebens.
Heimweh ist eine der ergreifendsten Tonarten in seinem reichen Gesang. In seiner
Erzählung „Der Krieg um den Wald" spiegelt sich das böhmische Landleben in seiner
Urwüchsigkeit ab, in seinem Epos „Sackville" umwebt er die Landschaft bei Prag mit
dämmerigem Zauber. Wiederholt erscheint in seinen Gedichten und Novellen die Gestalt
der sorgeudeu Mutter, die in der Heimat vergeblich ihres fernen Sohnes harrt.
Meißner und Hartmann waren die berufenen Dichter des Völkerfrühlings in
Böhmen, aber sie standen nicht allein mit ihrem Sehnen und Dichten. Von den jungen
Poeten, die sich ihnen innig zugesellten, war der Leitmeritzer Friedrich Bach, ein stiller
schwärmerischer Genosse der lauten Stürmer, am eigenthümlichsten begabt. Seinen
„Sensitiven", deu Erstlingen seiner Muse, folgten im Jahre 1848 „Neuere Gedichte",
daun verstummte für immer der Liedermund des jungen Arztes, der sich zu Orawitza in
Serbien ansiedelte und dort, fern von allen literarischen Strömungen, zu Beginn der
Sechziger-Jahre sein Leben beschloß. Ein Dichter des ewigen Menschheitsleids, gemahnt
er bald an Hölty, bald an Lenau, aber er hat seine eigene Klangfarbe, und die seltene
Vereinigung melancholischer Weichheit mit krystallheller Klarheit des Gedankenansdrucks
gibt seinen Liedern einen nnverwelklicheu Reiz. Eiuem anderen Leitmeritzer Poeten konnten
die Genossen von „Ost und West" den Kranz der Anerkennung nur auf das frische Grab
legen. Joseph Emanuel Hilscher, dessen Schicksal und Werth Ludwig August Frankl ans
Licht zog, war, ein einsamer Wanderer, der Poetenschaar vorangezogen. Er war Soldat,
arbeitete sich vom Gemeinen zum Lehrer an der Militärschule empor und erst, nachdem
er in jungen Jahren zu Mailand verschieden war, gelangte sein tapferes Ringen nach
geistiger Erhebung zu verdienten Ehren. In seiner Patrontasche trug er zwar nicht den
Marschallstab, aber den Byron, den er meisterhaft übersetzte, und nach ermüdeuden
Märschen auf der staubigen Straße besang er in stillen Nächten die Welt im Moude, die
Idealwelt, die in sein hartes Leben hineinleuchtete. Von der Gnnst des Tages getragen
war Uffo Horn, dessen Wiege in Trautenan stand, ein Mann, der seine große rhetorische
Begabung in Liedern, Dramen und öffentlichen Reden glänzen ließ und dem manches
schwunghafte Lied gelungen ist. Impulsiv in Leben und Dichtung, führte er als Freiwilliger
im Kriege um Schleswig-Holstein das Schwert für die Sache, der seine Begeisterung
gehörte. Er war nicht tief angelegt, aber energisch und kühn. In seinem Drama „Ottokar"
legt er dem vielgereisten Zawisch Worte glühender Weltfreudigkeit in den Mund, die sein
eigenes Wesen charakterisiren. Ein berufener Vermittler zwischen „Ost und West" war
Siegfried Kapper, neben der Talvj der beste Übersetzer südslavischer Volkslieder und ein
Lyriker von feinstem Formgefühl. Auch Ludwig August Frankl wurzelt in der böhmischen
Heimat. Sein Jugendepos „Der Primator" verklärt in prächtigen Stropheu das alte Prag,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch