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Franciscaner („Hiberuer") eingerichtet worden; wir werden es wegen seines innigen
Zusammenhanges mit der Entwicklung des cechischen Theaters noch zu betrachten habe».
Es führte den Titel „Vaterländisches Theater" (vlasteneckv divscklo), hatte ein
deutsches uud slavisches Repertoire und machte dem Haupt- uud Nationaltheater mitunter
gefährliche Coucurrenz; auch Mozarts „Zauberflöte" kam dort am 25. Oktober 1792
zur ersten (deutschen) Aufführung in Prag. Als die deutsche Schauspielgesellschaft des
Ritter von Steinsberg dort spielte (1798), besetzte das „Vaterländische Theater" auch
die Sommerbühnen von Karlsbad und Teplitz mit seinen Kräften, bald darauf aber
machte ein Besitzwechsel in jenem Palais das „Vaterländische Theater" obdachlos. Wohl
siedelte sich ein neuer Unternehmer mit dem alten Privilegium im Refectorium des
aufgehobene» Dominicanerklosters zu St. Maria Magdalena auf der Kleinseite (dem
heutigen Gendarmeriegebäude) an, aber dieses Theater verschmolz 1803 mit dem ständischen
Theater als Filiale mit deutsch-slavischem Repertoire.
So fand Karl Liebich die Verhältnisse, als er am 10. August 1806 die Directiou
antrat. Seit 1796 schon einer der beliebtesten Darsteller Prags, unvergleichlich im Fach
der fein-komischen Väter, dann als Regisseur und Seele des deutschen Schauspiels, wurde
er nun ein energischer, rastlos thätiger, humaner und künstlerisch denkender Director.
Durch die endliche Auflassung der als stabile Institution nicht mehr haltbaren italienischen
Oper und die Gründung eines Pensionsinstitutes hoffte er seinem Unternehmen eine
neue starke Basis zu geben. Die kolossalen Summen, welche die italienische Oper ver-
schlungen hatte, kamen dem nothleidenden deutschen Schauspiel und der Begründung einer
achtbaren deutschen Oper zugute, durch das Peusiousinstitut aber, welches vou seineu
Nachfolgern fortentwickelt und zu einer in Deutschland und Osterreich einzigen Blüte
gebracht worden ist, sicherte er der Prager Bühne die Erhaltung trefflicher Kräfte, pflanzte
Beständigkeit und den Geist treuer Anhänglichkeit, aufopfernder Pflichterfüllung in das
Personal, machte seine Bühne den hervorragendsten deutschen Bühnen ebenbürtig. Seine
Personallisten repräseutireu eine Künstlergallerie, in welcher die markantesten Charakterköpfe
jener Zeit vertreten sind: unter ihm erblühte das Talent Eßla i r s in Prag, unter ihm
wirkten das Ehepaar Reinecke, der berühmte Heldenspieler Rudolph Bayer und
Polawsky, der feinste Chevalierspieler seiner Zeit, Jahrzehnte hindurch eine Säule uud
Zierde des Prager Theaters und des deutschen Schauspiels überhaupt, die Damen
Bruuett i , Johanna Liebich, Philippine und Henriette Bessel; später kamen aus
Hamburg die berühmte Sophie Schröder, deren Name in Prag Weltruf erreichte, die
imposante Auguste Brede, Julie Loewe, die von Liebich entdeckten Ludwig Löwe und
Wilhelmi, nachmals Sterne des Burgtheaters. Hier saugen die berühmte Caravoglia-
Sandr in i , Therese Mül le r und ihr Gemal, der Tenor Joh. Christ. Grünbaum,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch