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weitgehende Förderung, als nach der Errichtung des Erzbisthnnis Prag 1344 für die
Leitung des schon seit 1341 geplanten Dombaues ans Avignon der Meister Mat th ias
von Arras berufen wurde, der bei der Ausführung des großartigsten Kirchenbaues
im Lande die beste Gelegenheit fand, die an verschiedenen Orten zu Tage getretenen
französischen Einwirkungen in einer bestimmten Richtung zu coucentriren und die Aus-
bildung einheimischer Arbeiter im Sinne der französischen Gothik nachdrücklichst zu
beeinflussen. Da Matthias nicht nur den Prager Dom im französischen Kathedralen-
systeme auszuführen begann, sondern auch bei der ihm wahrscheinlich gleichfalls über-
tragenen Anlage der berühmten Burg Karlstein offenbar in der Papstburg zu Avignon,
einer ähnlichen Vereinigung gottesdienstlicher Räume mit einem Residenzbau, einen
französischen Bau zum Vorbild gewählt hatte, so waren die Bedingungen für das
Weitergreifen und Einwurzeln der französischen Auffassung die denkbar günstigsten, zudem
letztere auch auf dem Gebiete des Erzgufses, der Buchmalerei und des Kunstgewerbes,
in Kleidertracht uud Sitte des mit dem französischen Königshause regen Verkehr und
innige Beziehungen unterhaltenden Hofes hervortrat. Hätte Matthias von Arras länger
gelebt und in Böhmen die Ausführung der größten Kirchen- und Profanbauten geleitet,
so wäre die Bankunst des Landes zweifellos vorwiegend von französischen Einwirkungen
abhängig geblieben, die bis in die ersten Regierungsjahre Karls IV. mit maßgebender
Stellung andauerte!?.
Die Erweiterung der Machtsphäre des böhmischen Königs, dessen Ansehen durch
Erlangung des deutschen Kaiserthums ungemein gestiegen war, änderte so Manches in
der bis dahin festgehaltenen Sonderstellung Böhmens. Karl IV. mußte bei den zahlreichen
Anlässen, die sein persönliches Eingreifen in den verschiedensten Theilen des deutschen
Reiches erforderten, bei seinen oftmaligen in Ausübung seiner Herrscherpflichten unter-
nommenen Reisen, bei der damit verbundenen Erledigung der mannigfachsten Geschäfte
im unmittelbaren Verkehr mit den Parteien vielfach andere Anschauungen gewinnen, als
früher durch seine innigen Beziehungen zu dem seine Erziehung bestimmenden und ihm
verwandschaftlich verbundenen französischen Hofe vermittelt wurden. Traten jetzt durch
drei Jahrzehnte die Verhältnisse zum deutschen Reiche vollständig in den Vordergrund
seiner Thätigkeit, so mußten die Wahrnehmungen, welche Karls praktischer Verstand und
scharfes Auge dabei machten, auch dem Kuustlebeu Böhmens nene Einflüsse vermitteln.
Prag hatte nicht nur als Sitz eines Erzbischoss und der ersten im deutschen Reiche
begründeten Universität, sondern anch als Residenz des damals angesehensten europäischen
Herrschers au Bedeutung gewonnen; hier mnßte die gesteigerte Entfaltung kirchlicher
Pracht, das Herbeiströmen Wissensdurstiger aus verschiedenen Ländern und die kaiserliche
Hoshaltnng zunächst eine Steigerung der Kunstthätigkeit herbeiführen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch