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so mußte sich bei seiner fast ein halbes Jahrhundert andauernden Wirksamkeit in Böhmen
die von ihm vertretene Richtung vollständig einleben. Welcher Anerkennung sich dieselbe
in: ganzen Lande erfreute, bewies außer der Berufung des Meisters nach Kolin und
Kuttenberg, sowie seines Bruders Michael nach Goldenkron ganz besonders die Bestellung
seines Sohnes Johann als Dombaumeister in Prag, weil derselbe offenbar der berufenste
Vertreter zur Einhaltung der von dem Vater durch Jahrzehnte verfolgten, allgemein
zusagenden Richtung schien. Die Ausgestaltung derselben wurde wesentlich durch den
Znzng deutscher Steinmetzen gefördert, die aus Österreich (Wien), Sachsen, Schwaben,
Westfalen, Straßburg, Köln, Mainz, Frankfurt, Würzburg, Nürnberg, Regensburg und
anderen deutschen Gebieten nach Prag zogen und hier besonders in der Dombauhütte
lohnende Arbeit fanden. Gegen die einheimischen Werkleute waren sie lange numerisch
im Übergewicht und vertraten anch die künstlerisch fortgeschritteneren Anschauungen.
Manche ließen sich gleich dem Dombaumeister in Böhmen nieder und verstärkten so das
Einleben der von ihnen vertretenen Richtung, wie zum Beispiel die Verheiratung des
Hofmalers Nikolaus Wurmfer von Straßburg mit der Tochter eines Saazer Bürgers
darauf hindeutet, daß der Künstler einige Zeit in Saaz arbeitete. Da die größten Bauten
Prags von Peter Parler geleitet wurden und abgesehen von der dabei stattfindenden
unmittelbaren Unterweisung einheimischer Arbeiter auch als Musterleistungen anderen
Architekten des Landes mittelbar manche Anregung zukommen ließen, so stand die Bau-
thätigkeit Böhmens in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts unter dem maßgebenden
Einflüsse deutscher Gothik, deren genialster Vertreter der aus der Kölner Hütte hervor-
gegangene Peter Parler von Gmünd war. Denn wie dessen Schaffen sich zwar vorwiegend
auf Prag coneentrirte, aber zugleich in Landstädte wie Kolin und Knttenberg seine
befruchtenden Strahlen aussandte, so bildete die Landeshauptstadt gerade in dieser Zeit
mit ihren mannigfaltigen Äußerungen eines abwechslungsreichen Kunstlebens und der
dabei besonders zu Tage tretenden Hauptrichtung den Mittelpunkt geistiger Anregung für
das ganze Land.
Die Zustände, welche unter Karl IV. sich herausgebildet hatten, hielten auch zum
großen Theile während der Regierung seines Nachfolgers an. Das Institut der Hofkünstler
blieb in Kraft; so wurden besondere Baumeister, Maler und Illuminatoren des Königs
bestellt. Die vertragsmäßige Regelung der Rechte nnd Pflichten des Auftraggebers nnd
des ausführenden Künstlers dauerte auch fernerhin nicht nur für Ballten, sondern auch
für die Herstellung von Tafelbildern, Bilderhandschriften und dergleichen fort. Anch das
Jnnungsweseu erstarkte immer mehr.
Bis gegen die Wende des XIV. und XV. Jahrhunderts blieben auch die unter
Karl IV. znr Herrschaft gelangten Kuustanschauungen vorwiegend im Übergewicht.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch