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war in der Form eines achteckigen Sterns angelegt; an jede Seite stieß ein Vorsprnng,
der mit zwei einfach abgetreppten Strebepfeilern besetzt war und sein eigenes Dach hatte.
Nach den erhaltenen Abbildungen besaß das Denkmal hohe, maßwerklose Spitzbogen-
fenster und auf deu Strebepfeilern Fialenaufsätze, die auf eine reichere plastische Aus-
stattung hindeuten könnten. Ob diese von allem Herkömmlichen abweichende Anlage einem
einheimischen Meister zuzurechnen sei, darf billigerweise schon deshalb bezweifelt werden,
weil die beiden mehr einheimischen Richtungen im Aufbau der Kirchen sich offenbar mit
Vorliebe an die landläufigen Anlagetypen gehalten haben. Von den älteren Prager
Kirchen erfuhren während der Regierung Wenzels IV. die Castulns- und die Peterskirche
auf dem Poric mehrere Veränderungen; die Michaelskirche auf der unteren Neustadt,
das heutige Gotteshaus der deutschen evangelischen Gemeinde Prags, läßt in seiner
Umgestaltung nur wenige Details der Anlage aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts
wieder erkennen. Die Dreischissigkeit des kleinen Langhauses, die auch die aufgelassene,
noch im XIV. Jahrhundert vollendete Martinskirche der Altstadt ausweist, hielt sich wie
der westlich ansteigende Thurm an den herrschenden Brauch.
Unter den Profanbauten nahmen wohl die unter Wenzel IV. vollendeten Anlagen
der königlichen Schlösser Zebräk, Toenlk und Knndratitz den ersten Rang ein; die Überreste
des zweiten lassen auf eine ausgedehnte Anlage, bei welcher man an passenden Stellen
plastischen und malerischen Schmuck nicht vergaß, schließen. Der nächst der Erkerkapellc
älteste Theil des Altstädter Rathhauses in Prag wurde nach dem Brande von 1399
aufgeführt. Von den vielgerühmten gothischen Rathhänsern in Kolin und Kuttenberg ist
nichts erhalte», während das Leitmeritzer doch noch einige alte, dieser Bauzeit ungehörige
Reste besitzt. Ein sehr beachtenwerthes Denkmal der Profanbaukunst Böhmens ist der
Thurm des Rathhauses in Kaaden, der im Erdgeschoß eine auf vier mächtigen Pfeilern
rnhende gewölbte Eingangshalle, im ersten Stock eine kleine, heute als Archivsraum
benützte Erkerkapelle, sowie außerdem die abschließende Zinneubekrönung und den offenbar
nach altem Vorbilde restaurirten Helm erhalten hat. Dieser Bau wurde in den ersten
Jahren des XV. Jahrhunderts errichtet, da Wenzel IV. erst 1401 gestattete, im
Kaadener Rathhause einen Altar aufzustellen. Der Kaadener Rathhausthurm läßt iu
seinem Unterbau vortrefflich das in den damaligen Städten beliebte Laubengangsystem
erkennen, für welches ja auch die an der Ostseite des Altstädter Ringes in Prag erhaltenen
Überreste von Wichtigkeit sind. Denn die Prager Lanbengänge waren eine Art Muster-
anlage, welche einzelne Landstädte, wie zum Beispiel Saaz, ausdrücklich zum Vorbild
wählten. In manchen derselben erhielten sich auch Reste der in dieser Periode aufgeführten
Befestignngen, so in Bndweis, wo gerade unter Wenzel IV. der größere Theil der Stadt-
mauern und Thürme restaurirt oder auch nen hergestellt wurden.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch