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fast das Dreifache des Areales des Weizens in Anspruch nimmt. Sein Korn liefert infolge
der Nahrhaftigkeit seines Mehles nicht nur das althergebrachte unschätzbare Brot-
materiale für Arm und Reich, sondern das Stroh übertrifft auch durch seine Länge und
seine große Festigkeit alle anderen Strohgattungen. Es ist allgemein nicht nur das Material
für Strohbänder, sondern dient, soweit die bestehende Bauordnung dies überhaupt noch
zuläßt, auch zur Dachdeckung der ländlichen Chalnppen mittelst Strohfcheibeln, die zwar
nicht ohne Feuergefährlichkeit, indeß sehr billig, dauerhaft und leicht herzustellen ist.
Der böhmische Roggen, auch schlechthin Korn genannt, hat seit uralten Zeiten dem
Lande den Beinamen einer „Kornkammer Deutschlands" verschafft, der freilich heutzutage
nicht mehr die alte Geltung hat, seit die Eisenbahnen die Zufuhr russischen Roggens
ermöglichen. So wie beim Weizen ist auch bei dieser Brotfrucht die Zahl der Sorten, die
im Lande angebaut werden, eine geringe, weil die neu eingeführten, mitunter sehr ange-
priesenen fremdländischen Varietäten zumeist in kurzer Zeit entarten, während der
böhmische Winter- und Sommerroggen, seit Jahrhunderten acclimatisirt, sich siegreich
behaupten.
Die dritte Getreideart, die Gerste, und zwar die zweizeilige (kZoräeum äMiekon)
hält gleichfalls ihren uralten Ehrenplatz unter den böhmischen Halmgewächsen aufrecht,
hauptsächlich als Sommerfrucht, deren kurzer Vegetationslauf sie befähigt, selbst in rauhem
Klima bei mäßiger Sommerwärme fortzukommen. Sie gedeiht, wenn nur der Boden
nicht allzu arm, selbst in hohen Gebirgslagen.
Die vierzeilige und die sechszeilige Gerste haben sehr geringe Verbreitung, die
zweizeilige dagegen überragt an Ausdehnung noch etwas den Weizen und liefert das
unschätzbare Materials für die Bierbrauerei, das Malz, zu dessen Erzeugung sich
insbesondere die blassen stärkereichen und kleberärmeren Körner der hackfruchtbauenden
Gegenden eignen, während die glasigen kleberreichen Körner jenes ausgezeichnete
Granpenproduct liefern, das mit Recht ein nationales Nahrungsmittel genannt werden
kann, denn sein Verbrauch ist ein allgemeiner. Es hat auch in der häuslichen Verwerthung
des Schweinefleisches, als beliebter Zusatz zu Blutwürsten, seine volkswirthschaftliche
Bedeutung. Fremde Gerstenarten werden in Böhmen neuerer Zeit anch angebaut,
namentlich die beliebte und für Brauereizwecke vorzüglich geeignete Hannagerste, dann die
Chevalier- und andere Gerstenvarietäten; doch ist — sorgfältigste Auswahl des Saat-
gutes vorausgesetzt — die einheimische, weil an das Klima längst gewöhnte zweizeilige
Gerstensaat allen anderen vorzuziehen. Das Stroh der Gerste, obwohl kurz, ist nicht ohne
Nährwerth für das Vieh und findet zumeist zu Heckfel geschnitten allgemeine Anwendung.
Der Hafer (avena sativa), die anspruchloseste Halmfrucht in Bezug auf Klima
und Boden, wird (zumeist Rispen-, weniger Fahnenhafer) nicht nur überall angebaut und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch