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von Arbeitern und Arbeiterinnen, welche die Hackfrucht ans dem Boden ziehen, um sofort
mit Messern jene oberen Theile abzusondern, die an Zucker ärmer, dagegen reich an „Nicht-
zucker", die chemischen Proceduren in der Fabrik nur erschweren würden, während sie ein
willkommenes Futter für Melkvieh abgeben. Zahlreiche Pferde- und Ochsenzüge sind hierauf
damit beschäftigt, die abgewogenen Rübenmassen den „Mieten" zuzuführen, die in der Nähe
einer jeden Zuckerfabrik auf Feldern angelegt zur Einlagerung der Rübe dienen. Um diese
Zeit befördern Eisenbahnen Tausende von Waggons Zuckerrübe und nicht selten geräth
darob aller übrige Wagenverkehr ins Stocken. Kaum hat der Monat September begonnen,
so sieht man anch schon die hohen Fabriksschlote rauchen und Hunderte geschäftiger
weiblicher und männlicher Arbeiter besorgen in emsiger, wohlgeregelter Eile die Zustreifung
der Rübe zur Fabrik, wo aus der rohen Knollenfrucht in wenig Stunden jener dickflüssige
Saft erzeugt wird, in welchem schon winzige Zuckerkrystalle wimmeln, die dann in Formen
gebracht, in wenig Tagen uach dem Abtropfen des Saftes zu Roh- und Hutzucker erhärten.
Wiewohl Zuckerfabriken hauptsächlich dazu errichtet werden, um mit ihrem Prodnct
das Leben der Menschen zu versüßen, so sind dieselben uebstbei auch Quellen einer Reihe
höchst nützlicher Nebenprodukte und Abfälle geworden, die insgesammt in dem wirth-
schastlichen Leben Böhmens eine hervorragende Rolle spielen. Dazu gehört als haupt-
sächliches Nebenprodnct die Melasse, die vermöge ihres hohen Zuckergehaltes ein znr
Spirituserzeugung vorzüglich geeignetes Rohmaterial bietet, das seinerseits wieder ein
technisch wichtiges Nebenprodnct, die Melassenschlempe, liefert, aus welchem Tansende
Metereentner Pottasche erzeugt und dem Handel, zumeist für Zwecke der Glasfabriken,
zugeführt werden. Ein nicht minder wichtiger Abfall der Rübenzuckerfabrikation sind die
Schnittl inge, deren Millionen Centner in frischem Znstande eingelagert zu einem
werthvollen, dem Sanerkrant nicht unähnlichen Fntter werden, mit dem die rübenbauenden
Landwirthe im Winter nnd Frühjahr ansehnliche Herden von Rindern zu ernähren
vermögen. Endlich gibt eine jede Zuckerfabrik auch noch eine Reihe von znr Düngung
dienenden Abfällen an die Landwirthschaft ab, kalkreichen Preßschlamm, Knochenkohlestaub,
Waschwässer und dergleichen. Da der Zucker, das Hanptprodnet dieser Industrie, genau
so wie die Stärke der Kartoffeln, nur aus Lnftstoffen gewebt ist, während alles Übrige,
das heißt alle Nebenprodukte nnd Abfälle der Znckerfabrikation, überaus reich an
Bodensnbstanzen sind: so kann man ermessen, welchen segensreichen Einfluß diese Industrie
auf das Gedeihen des Ackerbaues äußert. Sie entzieht dem Boden lediglich die aus der
Last stammenden Substanzen, beläßt ihm dagegen alle (Mineral-) Substanzen der Rübe,
führt ihm aber überdies noch jene reichhaltigen nnd wirksamen Zusätze zu, deren die
Fabriken behufs Zuckerausfcheiduug bedürfen und die als Dungmittel eine wesentliche
Bereicherung des Bodens bedeuten.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch