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einer solchen von Bauern gegründeten Zuckerfabrik (Chrudim). Es werden in Böhmen
im Ganzen über drei Millionen Metercentner Rohzucker erzeugt, wobei über neun
Millionen Metercentner Kohle verbraucht und ungefähr 42.000 Arbeiter beschäftigt
werden. Den Aufschwung der böhmischen Zuckerindustrie möge am besten die Thatsache
beleuchten, daß die Zuckermenge, welche vor 50 Jahren alle böhmischen Fabriken zusammen
erzeugten, heute von einem jeden einzelnen der 134 in Betrieb stehenden Etablissements
prodncirt wird!
Neben der Zuckerrübe erzeugt die Landwirthschaft Böhmens auch noch ansehnliche
Mengen von Futterrüben, die an Zucker zwar nicht arm sind, zugleich aber an Eiweiß-
körpern so viel enthalten, daß sie ein werthvolles Winterfutter für das Vieh bilden.
Auch die Ölgewächse (Raps, Mohn, Sonnenblumen) sind in Böhmen nicht ohne
Bedeutung, wenn auch, was den Raps (Lrussiea rapa) betrifft, dessen Cultur vormals,
wo weder das Leuchtgas, noch das Petroleum im Gebrauche war, eine ausgedehntere
gewesen ist als heute, nicht nur diese modernen Leuchtmittel, sondern auch die Einfuhr
überseeischer Ölfameu (wie Baumwollsaat, Erdnüsse n. a.) eine den Rapsbau drückende
Eoncnrrenz machen. Diese Pflanze hat aber die nützliche Wirkung geübt, in Böhmen die
Drill- oder Reihencultur nebst einer Menge neuer Hackgeräthe und Maschinen einzu-
bürgern, was später der Zuckerrübencultur zugute kam. Raps wird gegenwärtig auf etwa
18.000 Hektaren bester Ackerböden gebaut.
Mit Mohn (papaver somniferum) werden, da er nicht allein ein geschätztes Öl
für die Malerei liefert, sondern auch ein beliebtes volkstümliches Genußmittel ist,
immernoch ausgedehnte Flächen bebaut. Die Sonnenblume (Ileliantbus aimuus)
findet hingegen bisher nur als Bienenfutter Verwerthung, denn die Gewinnung des
schmackhaften Öls ihrer Samen stößt bisher aus Mangel an Ölmühlen, denen die
Besteuerung unüberwindliche Hindernisse bereitet, auf Schwierigkeiten. Man findet sie
daher wohl überall im Lande, jedoch mehr als Gartengewächs und Zierpflanze, denn als
Object des Feldbaues.
Leinbau. Keine Wirthschaftspflanze hat in der Neuzeit solche Wandlungen
erfahren wie der Lein (lärmm usitatissimuw), der noch vor einem halben Jahrhundert,
allenthalben in Böhmen gebaut, Tausende fleißiger Frauenhände beschäftigte. Heute
macht seinem Anbau die Einfuhr der Baumwolle, und seiner häuslichen Verarbeitung die
mechanische Spinnerei und Weberei derart Eoncurreuz, daß ein Wiederaufblühen seiner
ehemaligen sehr sorgfältigen Cultur kaum mehr zu gewärtigen ist.
Spinnrad und Rocken, heute nur noch im Theater sichtbar, wenn Gretchen spinnend
ihr wehmüthiges Lied singt, dieses liebliche Geräthe fehlte ehedem in keinem ländlichen
Hauswesen und beschäftigte die langen Winterabende hindurch Frauen und Mädchen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch