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geworden, ist neuerer Zeit auch in dieser Richtung mancher Fortschritt zu beobachten.
Die alten Methoden der Rahm-, Butter- und Käsegewinnung weichen den Einrichtungen
der Neuzeit. Während der Großgrundbesitz bemüht ist die Milch in wohlverwahrten
Metallgefäßen mittelst der Eisenbahnen dem Konsum der Städte zuzuführen und die
Städte ihrerseits dafür sorgen, den Milchmarkt von der Gasse in säuberlich eingerichtete
Laden zu verweisen, ist auch die Erzeugung von Butter ein Geschäft geworden, das selbst
von dem kleinen Landwirth nicht mehr im Kleinen betrieben wird. Es bilden sich
Genossenschaften, deren einzelne Mitglieder das tägliche Milchqnantum zusammenthun,
um Butter und Käse daraus zu erzeugen und diese Prodncte in größeren Quantitäten
dem Handel, wohl auch dem Export zu liefern. Mit diesem genossenschaftlichen Betriebe
geht eine entsprechende Verwerthung des Abfalls, der Molken, zur Fütterung von
Borstenvieh Hand in Hand.
Die Schafzucht Böhmens, die vor wenig Jahrzehnten noch einen Ehrenplatz in der
europäischen Thierproduction einnahm, da sie hochfeine Wolle an die Tuchfabriken und
die feinstwolligen Zuchtwidder zum Theil auch an das Ausland zu liefern vermochte, ist
heute der Zahl der Thiere nach auf die Hälfte ihrer vormaligen Höhe herabgesunken. Noch
leben zahlreiche Personen, die jene Merino-Stammschäfereien kannten, welche, ursprünglich
von Böhmens Magnaten unter directem Einfluß der Kaiserin Maria Theresia gegründet
und später namhaft vermehrt und erweitert, bis über die Mitte unseres Jahrhunderts
durch hohe Feinheit ihrer Electoral- und Negretti-Merinowolle sich auszeichneten und
Tausende edler Widder um Preise absetzten, die heutzutage fabelhaft klingen; so wurden z. B.
sechs- bis achttausend Gulden für einen dreieinhalbjährigen Znchtstöhr der Fürst Schwar-
zenberg'schen Herrschaft Vorlik im Jahre 1818 gezahlt. Noch kann man die großartigen
Schafstallungen sehen, die aus einer Zeit stammen, wo ganze Herrschaften, wie z. B.
Horovitz, ihre Betriebseinrichtung der Merinoschafzucht untergeordnet hatten und ein
wohlgeschultes Schäfereipersonal die Pflege der werthvollen Thiere besorgte. Unter dem
Einfluß so edlen Znchtmateriales wurde in Böhmen das Bauernschaf allmälig verdrängt;
es habe» sich in bäuerlichen Stallungen feinwollige Mischlinge der alten Race mit
Merinoblut derart verbreitet und einheimisch gemacht, daß heute das alte böhmische
Bauernschaf wohl nirgends mehr zu finden und seine zwar nicht schlechte, aber doch grobe
Tuchwolle kaum mehr bekannt ist.
Von den zahlreichen Stammschäfereien, die Böhmen zur Zeit der Blüte seiner
Merinoschafzucht — in den Vierziger-Jahren — besaß, wurden infolge der überseeischen
Wolleconcurreuz viele aufgelassen oder zur Verringerung ihrer Herden gezwungen, so
daß der damalige mit 1,516.901 Stück berechnete Schafstand heute auf 761.264 Stück,
die Hälfte, herabgemindert ist. Es mußte von dem Streben nach höchster Wollfeinheit,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch