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Anwesen gibt, die nnr einen geringen Viehstand erhalten können, oder wo es felderlosen
Häuslern und ärmlichen Handwerkern möglich gemacht wird, für ihre Ziegen das karge
Futter pachtweise oder unentgeltlich zu gewinnen. Wäre die Ziege nicht ein schonungsloser
Schädiger und Verwüster aller belaubten Pflanzen, so würde sie sich wohl auch bei dem
bemittelteren Landmann und selbst beim Großgrundbesitz einheimisch machen, da sich
ihre Milch durch Menge und starken Fettgehalt — wenn auch nicht durch angenehmen
Geruch — auszeichnet und die Fruchtbarkeit dieser Thiere bedeutend ist, auch der
Zickelbraten besonders zur Osterzeit dem Lammbraten eine gefährliche Coneurrenz macht,
so daß es an Absatz für Zicklein selten mangelt. Allein beim größeren Grundbesitz findet
man stets so viel Vorliebe für Bäume und Gesträucher, die den Reiz der Landschaften
erhöhen, mit deren Laub aber die Ziege auf ewigem Kriegsfuße steht, daß sie in größeren
Anwesen wenig oder gar nicht anzutreffen ist.
Umsomehr Sorgfalt wird dagegen dem Borstenvieh zugewendet, und hat die
Schweinezucht Böhmens mit Recht einen vorzüglichen Ruf. Während iu den übrigen,
namentlich den südlichen Ländern der Monarchie die Borstenviehhaltung zumeist mittelst
freier Sommerweide betrieben wird, lebt in Böhmen das Schwein zwar nicht ohne
jeden Weidegang, wächst aber doch vorzugsweise in häuslicher Pflege und Wartung auf,
und diese Sorgfalt ist es, die das Gedeihen des Schweines, das rasche Wachsthum uud
den Fettausatz so sehr fördert, daß „böhmische", insbesondere „Prager Schinken" ob
ihres mürben, feinfaserigen Fleisches zn gesuchten Leckerbissen im In- und Auslande
geworden sind.
Es ist dnrchgehends, selbst auf Großgrundbesitzen, Sache der weiblichen Land-
bevölkerung, die Schweinehaltung zu besorgen, und die Franen verwenden viel Sorgfalt
auf die Sammlung und Zubereitung des Fntters, das meistens in breiförmigem und
erwärmtem Zustande geboten wird. Ganz besonders gehoben hat sich die Schweinezucht
in neuerer Zeit, seitdem die alte Laudrace, hochbeinige Thiere mit etwas kurzem Rumpfe
und aufrecht gestellten Ohrlappen, durch Zulassung von englisch-chinesischen Ebern
bedeutend an Körperlänge, Feinknochigkeit, Größe der Formen und selbst auch an Frucht-
barkeit gewonnen hat. Man findet bereits überall, selbst in den entlegensten Dörfern
Böhmens, zahlreiche Abkömmlinge der vortheilhaften Mischungszuchten, zu denen die
Einfuhr weißer Jorkfhire-, schwarzer Essex-, brauner Berkshire- und anderer von England
stammender Vaterthiere Anstoß gegeben hat.
Wenn auch eine allgemeine Zählung der Schweine auf dem Lande mit vielfachen
Hindernissen zu kämpfen hat und demnach verläßliche Ziffern kaum geliefert werden
können, ist es doch immerhin bemerkenswerth, daß in Böhmen im Jahre 1837 244.272,
1857 577.274, 1869 228.180 und 1880 322.005 Stück Borstenvieh gezählt worden sind,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch