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Man kennt dessen Schicksale in Böhmen vom Ausgang des XI. bis zum Anfang des
XIV. Jahrhunderts. Handel und Gewerbe bildeten von Haus aus die Hauptbeschäftigung
der Bewohner auch der böhmischen Städte. Die ersten Bürger in der Altstadt Prag
fanden daselbst einen großen Kaufhof, Teyu genannt, als Sammelplatz der fremden,zumeist
deutschen Kaufleute, die dort ihre Niederlagen hatten und ihre Käufe und Verkäufe besorgten.
Und jede neue städtische Anlage mit ihren Laubengängen, den Tuchlauben, den Fleisch- und
Brotbänken um den geräumigen Marktplatz n. s. w., nach außen gegen feindliche Überfälle
durch Graben, Wall und Mauern geschützt, verrieth ihren Beruf auf den ersten Blick. Den
wesentlichen Inhalt aller Stadtprivilegien aber bildeten der Straßenzwang, das Niederlags-
recht und die Bannmeile, das heißt das ausschließliche Recht der Bürgerschaft auf
Ausübung des Handels und der Handwerke, insbesondere der Bierbrauerei, für eine
Meile im Umkreise der Stadt. Selbstverständlich war die Selbstverwaltung.
Schon im Verlause des XIII. Jahrhunderts begann Böhmen sich wirthschaftlich
bis zu gewissem Grade unabhängig zu stellen. Der Bedarf an gewerblichen Erzengnissen
wurde allmälig zum guten Theile aus eigenen Mitteln gedeckt; der Handel löste sich mehr
und mehr von seinen bisherigen Fesseln und wurde ein Activhandel, in dessen Gewinn
sich Großhändler und Krämer theilten. Die Haupteinnahmequelle bildeten die Jahrmärkte.
Auf ihnen kam auch der natürliche Reichthum des Landes an landwirthschastlichen
Produkten zur Geltung. Verhältnißmäßig rasch vollzog sich die Organisation des
Gewerbes nach dem Muster des westlichen Nachbarreiches, aus welchem die neuen
Ansiedler in großer Überzahl eingewandert waren und noch fortwährend herbei-
strömten. Es bildeten sich, zunächst auf religiöser Grundlage, gewerbliche „Bruder-
schaften", Innungen und Zünfte, zu deren ältesten die Fleischer, Bäcker und Zeltner
(Kuchenbäcker) zählten. Die Schneider, Schuster, Kürschner, Hutmacher, Wagner,
Töpfer, Schmiede u. s. w. blieben nicht zurück. In Prag kamen die Sporner,
Helmer, Plat tner und Bogenschmiede zu größerer Bedeutung, vorzüglich aber die
Goldschmiede. An Zahl und Leistungsfähigkeit ragten ebenso auf dem Lande, wie in
der Laudeshauptstadt die Tuchmacher hervor. Das älteste bekannte Tuchmacher-
privilegium hat die Stadt Braunau aufzuweisen, eine Gründung des Klosters Brevuov;
ihr gab König Ottokar I. das Recht der Wollenweberei und des Wolleverkaufs, das später
(1405) König Wenzel IV. bestätigte. Ottokar II. berief aus Flandern geschickte Wollen-
weber, die sich in einzelnen Städten niederließen. Die größte Sorgfalt wendeten alle
Städte ohne Ausnahme auf die Pflege und Ausbeute ihrer Bräugerechtigkeit. Schon die
ältesten unter ihnen verstanden es, mit Hilfe der Mälzer aus Saazer Hopfen ein
vortreffliches Bier zu bräueu; man kennt bereits im XIII. Jahrhundert das Prager
Märzenbier als ein besonders gutes Geträuk.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch