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So schien nach mehr als einer Richtung der Anstoß zur Besserung der Produetions-
verhältnisse im Lande gegeben; auch erfreuten sich die letzten Regierungsjahre Ferdinands I,
relativer Ruhe nach innen und außen.
Kaiser Maximil ian II. war künstlerischen und gewerblichen Bestrebungen nicht
abgeneigt. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte er in letzterer Beziehung dem heimischen
Wollengewerbe zu. Die Lage desselben war aber keine günstige. Die Prager Kammer-
räthe erklärten als Ursache dessen, „daß ein Abgang in der Wolle erscheine und dieselbe
in hohem Kaufe sei, derowegeu auch die Tuchmacher vom Handwerk lassen müßen". Der
Kaiser ließ es nicht dabei bewenden. Er fand sich bereit mit Steuergeldern hilfreich einzu-
greifen und selbst auf Kosten des Ärars den Verlag im Großen einzurichten ^ „doch nicht
der Meinung," wurde beigefügt, „daß wir den Tuchhandel ganz an uns ziehen wollten,
sondern die Tuchhändler bei ihrem Gewerbe einen Weg als den anderen zu lassen und
wir allein zur Nothdurft des Grenzwesens Tuch erlangen nnd bekommen würden mögen."
Die ausländischen Leistungen sollten im Julaude, wo bisher ausschließlich ordinäre
„Landtuche" hergestellt wurden, als Muster dienen. Der guten Absicht des Monarchen zu
willfahren, wurde im Jahre 1574 ein Commissär entsendet, welcher in allen Städten
Böhmens die Zahl der Tuchmacher, sowie die Quantität und Qualität des jährlichen
Erzeugnisses zu erforschen und festzustellen hatte, insbesondere in den Städten, „aus
welchen Tuche nach Österreich und Ungarn ausgeführt werden". Die Tuchmacherzunft in
P rag erstattete im nächsten Jahre einen ausführlichen Bericht über den Stand der Tuch-
macherei und des Tuchhandels in Böhmen, der als das älteste bekannte Schriftstück dieser
Art der Beachtnng werth ist. Er schildert die bezüglichen Verhältnisse in Chrndim,
Hohenmauth, Reichenau, Soluitz, Kostelee, Tabor und Braunau unter Mit-
theilung mancherlei Details. Merkwürdig ist die Schlußbemerkung: „Von anderen Städten
im Königreiche Böhmen, in denen die Tucherzeugung von Bedeutung sein soll, haben wir
keine Kunde." Von der seit mehr als vierzig Jahren wiederbelebten Tuchmannfactur in
Friedland, deren Zunftordnung allerdings erst wieder im Jahre 1562 durch den neuen
Besitzer Friedrich von Redern — „nachdem wir fcheinbarlich befunden, daß allerlei
Unordnung bei dem ehrsamen Handwerke der Tuchmacher daselbst und desselben Tüch-
handels bishero gehalten worden" — wesentlich umgestaltet worden war, hatte die Prager
Zunft, die sich den übrigen Zünften im Lande gegenüber die Hauptzunft nannte, keine
Kenntniß. Wahrscheinlich hatten die Friedländer Meister es bisher verschmäht, sich dieser
Hauptzunft unterzuordnen.
Den Pragern wurde im nördlichen Böhmen bald eine Conenrrenz geschaffen, die
ihnen sehr gefährlich werden sollte. Die Herren von Redern, als Besitzer von Friedland-
Reichenberg, erhoben ihr Besitzthum innerhalb weniger Decennien in gewerblicher
zg-
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch