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Hinsicht zu einer Bedentnng, wie dieselbe wohl nur wenige Landstriche bisher erreicht
hatten. Kaiser Rudolf II., der Erbe Maximilians II., seinem Vater in vielen Stücken sehr
ähnlich, doch noch weit mehr als dieser ein Freund der Kunst und des Kunstgewerbes, ja
selbst ein ausübender Künstler, willfahrte zuvorkommend derartigen Bestrebungen. In
einem Diplom vom 11. April 1577 wurden die Privilegien des Städtchens Reichenberg,
das „vordem nicht anders als ein Dorf", namhaft vermehrt, besonders durch das Recht
der Abhaltung zweier Jahrmärkte, der Führung eines Stadtwappens u. s. w. Es folgte
schon im nächsten Jahre die Errichtung zweier Zünfte, jener der Bäcker und der Schneider
— ersterer auf Grund der respectiven Zunftartikel der Stadt Zittau — und abermals ein
Jahr darnach (1579) einer Tuchmacherzunft, derselben, welche im Laufe der Jahrhunderte
über die Schranken einer Institution ihrer Art weit hinauswuchs und jede andere Berufs-
genossenschaft diesseits und jenseits der Landesgrenze sowohl an Zahl der Mitglieder als
auch an Tüchtigkeit, Vermögen und Einfluß weit überflügelte. Im Jahre 1588 trat in
Reichenberg wie in Friedland, von Christof und Melchior von Rederu privilegirt, auch
eine Innung der Leinenweber ins Leben, nachmals gleichfalls von außergewöhnlichem
Umfange und seltener Leistungsfähigkeit. Tuchmacher und Leinenweber an beiden genannten
Orten schritten bei Zeiten zur Orgauisirung förmlicher „Gesellen-Bruderschaften" und
Feststellung genau umschriebener „Gesellen-",beziehungsweise „Tuchknappen-Ordnungen",
das heißt zur Regelung der Arbeiterfrage jener Tage innerhalb des ihnen zugewiesenen
Wirkungskreises. Unseres Wissens sind die betreffenden Schriftstücke, den Jahren 1593
und 1619 angehörig, als die ersten Versuche ihrer Wirthschaftssphäre nicht blos in
Böhmen, sondern in sämmtlichen nun sogenannten kaiserlichen Erblanden zu betrachten.
Die Leinenweberzünfte vermehrten sich überaus rasch. So wurde eine solche bereits 1589
in der Bergstadt Graupen eingerichtet, „der altherkommenden Gewohnheit nach, wie die in
anderen Städten dieser Krone Böhmen gehalten".
Melchior von Redern — ein bedeutender Heerführer, durch seine zahlreichen und
namhaften Erfolge in den Türkenkriegen hochberühmt, zugleich aber ein eifriger und that-
kräftiger Förderer der Werke des Friedens — beschränkte sich in Friedland-Reichenberg
nicht auf die erwähnten Schöpfungen. „Zum Behufe der Schule" erbaute er in Friedland
(1590) eine stattliche Papiermühle, die noch gegenwärtig besteht. Er gab den Reichen-
berger Tuchmachern ein umfassendes, sehr detaillirtes, mustergiltiges Zunftprivilegium
(1599). Eben auch auf der Herrschaft Reichenberg legte er das Dorf Friedrichswalde
mit einer Glashütte an, woselbst wir (1604) als ersten „Gerichtsverwalter" und
„Hüttenmeister" Peter Wanderer (auch „Wander") kennen lernen, den Stammvater der
neben den Schürer von Waldheim in der Folge meistgenannten und -verdienten Glas-
erzeugerfamilie Wander von Grünwald. Melchiors Witwe, Katharina von Redern,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch