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Pastor Budeccius von Falkenberg darf wohl mit Recht als der Begründer dieser Industrie
als solcher an Ort und Stelle angesehen werden. Er sungirte eine Zeit lang als von
dem allmächtigen geheimen Rathe Rudolfs II., Wolf Freiherrn von Rumpf, in aller
Form bestellter „Inquisitor" über die zahlreichen, zumeist italienischen Edelsteinsucher,
welche damals außer den Genannten das Jser- und Riesengebirge als ihr Revier durch-
streiften. Vom Markte Roveusko, wo die Steinschneiderei noch heute in Blüte steht,
verbreitete sich dieselbe im Laufe des XVII. Jahrhunderts gegen Tnrnan, den späteren
Hauptsitz dieses Kunstgewerbes.
Widrige Umstände in Hülle und Fülle begleiteten den Ausgang Rudolfs II.; sie
wurden in der allgemeinen Landesgeschichte dargelegt. Matthias, der Thronfolger, wurde
seines Erbes nicht froh. Noch erlebte er den Ausbruch der „böhmischen Unruhe", den
„großen deutschen Krieg", der durch dreißig Jahre das deutsche Reich von einem
Ende zum andern verwüstete und verderbte, heftiger aber als irgendwo in seinem
Herde Böhmen wüthete und dieses arme Land aufs neue dem Untergang preisgab.
Wieder war dem kulturellen Leben und Streben auf lange, sehr lange Zeit hinaus ein
Halt geboten. Man hat nicht zu viel damit gesagt: mit jenem Kriege wurde Deutsch-
land gegenüber den glücklicheren Nachbarn, den Niederländern, den Engländern, um
zweihundert Jahre zurückgeworfen. Und dennoch war dabei Deutschland im Vergleich zu
Böhmen — uur die wirthschaftlichen Folgen betrachtet — fast noch glücklich zu preisen.
Nicht blos die Macht des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz, auch die geträumte
Selbständigkeit des Königreiches Böhmen und mehr noch, unendlich mehr, wurde auf dem
Weißen Berge begraben. Ein furchtbares Strafgericht brach herein. Und mit der
militärischen Niederwerfung des Landes ging die Rekatholisiruug, die gewaltsame
Gegenreformation Hand in Hand, welche die vormals blühendsten Betriebsstätten
beinahe vollständig entvölkerte.
Auf einem einzigen Punkte Böhmens waren während der ganzen ersten Hälfte des
dreißigjährigen Krieges für die große Masse der Bevölkerung dessen Schrecknisse kaum
fühlbar: im Herzogth um Fried land. Wohl hatten, wie ungezählte andere protestantische
Familien, auch die Nachkommen Melchiors von Redern ihr Besitzthum und das Land
verlassen müssen; die Zurückgebliebenen hatten den Wechsel der Dinge zunächst kaum zu
beklagen. Die Herrschaft Friedland-Reichenberg kam an Albrecht Wenzel Eusebius
von Waldstein, insgemein Wallenstein genannt, der mit ihr binnen kurzer Zeit nicht
weniger als 64 bisher selbständige landtäsliche Besitzungen vereinigte, ein Dominium
im Umfange von nahezu eintausend Hektar oder siebzig Quadratmeilen, von der Landes-
grenze im Norden bis über Melnik und Nimbnrg im Süden und von Leipa im Westen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch