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wozu der Grundbesitzer Graf Kinski) um so bereitwilliger seine Zustimmung ertheilt hatte,
als damit das geeignetste Mittel gegeben schien, den im Aufschwung begriffenen Glas-
handel und dadurch iudirect auch die Einkünfte der Herrschaft ansehnlich zu heben. Schon
1683 traten auch die Glasmaler und Glasschneider der Herrschaft Bürgstein, insbesondere
der Dörfer Blottendorf und Falkeuau, zu einer Innung zusammen; ihrem Beispiel
folgten die Gewerbsgenossen im Dorfe Steinschönau (1694). Sie förderten den Handel
nach Kräften, schon dehnte er sich über Norddeutschland aus, ja für ihn gab es kaum mehr
eine Grenze. So kommt das böhmische Glas nach Polen und den Ostseeländern, ja selbst
nach Rußland bis Moskau, ebenso nach Holland, nach Italien, Ungarn und Siebenbürgen.
Von Stralsund gehen diese „Glascommercialiften" nach Riga, von Hamburg nach London
und von Varna nach Constantinopel. Kopenhagen und Stockholm werden aufgesucht und
über Archangel in ivenigen Jahren „viel hundert Tausend Glas" in das entfernteste
Rußland vertrieben. Portugal und Spanien sind später neben Holland die Hauptemporien
dieses Handels, der sich nnn bald als gesellschaftlicher Factoreibetrieb entwickelte.
Gleichfalls bereits im zweiten Decenninm der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
that auch die Papiererzeugung Böhmens einen Schritt nach vorwärts. Christof Weiß,
der im Jahre 1667 die erste Papierfabrik inHohenelbe errichtete, schuf damit für diese
Industrie ein nenes, wichtiges Centrum. Das ausgezeichnetste Papier jeder Gattung
lieferte schon damals, nach dem Zeugnisse Balbins, die in den Besitz der Familie
Ossendorf übergegangene Papiermühle von Bensen.
Eine gewisse Regsamkeit machte sich um dieselbe Zeit auch in Eger bemerkbar.
Obschon gleichfalls infolge gewaltsamer Durchführung der Gegenreformation hart mitge-
nommen, hatte die von jeher sehr betriebsame Stadt eine relative Wohlhabenheit und
einen Handelsstand zu erhalten gewußt, der sich mit jenem aller übrigen Landstädte
Böhmens messen konnte. Die beiden Egerer Jahrmärkte waren die besuchtesten im Lande.
Bürgermeister und Rath der Stadt stellten das Ansuchen um „einen noch dritten Jahr-
markt und zu solchem eine Stapelgerechtigkeit" (1690). Sie wurden abgewiesen aus den
denkbar kleinlichsten Gründen.
Es war unsäglich schwer, eine höhere Auffassung wirthschaftlicher Fragen zum
Durchbruch zu bringen. Und dennoch kann eine Wendung zum Besseren, wenigstens an
vereinzelten Punkten, bereits verzeichnet werden. Dafür spricht außer dem Gesagten noch
eine weitere Thatsache. Sie führt uns an den Fuß des Erzgebirges. Ein Egeraner von
Geburt, Benedikt Litwehrich, seit 1691 Abt des Stiftes Ossegg, wurde daselbst der
Gründer eines eigentlich fabriksmäßigen Betriebes. Er verschrieb aus dem benachbarten
Sachsen einen gewandten Strumpfwirker Namens Paul Rodig. „Rodig machte bald
Anstalt", wird gemeldet, „daß nicht nur Kinder, sondern auch erwachsene Personen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch