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zur Herstellung von „Berchtesgadener Artikeln": Kinderspielwaaren, deren gelungene
Erzeuguisse allerwärts die beste Aufnahme fanden. Da nach Heins Tode der Herrschafts-
besitzer sich entschloß, die Fabrik zu überuehmeu, war ihr Bestand gesichert und so eiu
neuer schöner Erwerbszweig für die Gebirgsbewohner gewonnen, dessen Mittelpunkt
später uach Oberleuteusdorf verlegt wurde. Gleichfalls im Jahre 1784 erfand Josef
Schösse! in Reichenau bei Gablouz das sogenannte Papiermachö, aus welcher
Masse er allerhand Schalen und Tassen, vor Allem aber Dosen verfertigte. Der Kaiser
— ihm schien eben nichts zu klein, was Anderen nützen konnte — gab Schösset „ein
Präminm von 100 Ducateu nebst der Besugniß, das Werk auf Fabrikenart betreiben zu
können", uud schon im nächsten Jahre stand eine schmucke Dosenfabrik im Dorfe Reichenau,
das lauge Zeit fast ausschließlich von ihr lebte. Beinahe gleichzeitig kam dieselbe Industrie
(durch I. G. Forster) uach Eger und (angeblich durch eingewanderte Elsasser) auch nach
Prag , woselbst sie in der Schönseld'schen Papiermühle eine Pflegestätte fand. Noch vor
Ausgang des Jahrhunderts begründete Johann Gaiger, ein Drechsler aus dem Baden-
sehen, die bald vielberufene Dosenfabrikation in Sand au bei Marienbad, noch heute eine
einträgliche Specialität jenes Ortes.
So, wie gesagt, gab sich allüberall im Lande ein reges, verheißungsvolles Leben
nnd Streben kund. Mit dem Einzelnen aber wuchs das Ganze. Die Bevölkerung Böhmens
erreichte im Jahre 1789 die Höhe von nahezu drei Millionen. Im selben Jahre entstanden
daselbst 79 neue Schulen und wuchs die Zahl der die Landschulen besuchenden Kinder
gegen das Vorjahr um nicht weniger als 16.000. Wenn sonst kein anderes Zeugniß vor-
handen wäre, das eiue spräche laut geuug dafür: Kaiser Josef II. hatte nicht umsonst gelebt.
Man darf wohl sagen: im Wesentlichen sind am Ausgang des XVIII. Jahrhunderts
iuBöhmen die einzelnen, durchwegs höchst eigenartigen Jndustrieeentren geschaffen, die wir
daselbst,im modernen Gewände, auch heute wiederfinden. Die Städte Reichenberg-Friedland
mit ihrer näheren und weiteren Umgebung, das böhmische Niederland, von Nnmbnrg-
Schlnckenan bis Leipa und Bensen-Kamnitz, das untere Elbethal von Leitmeritz-Lobositz
bis Tetscheu-Bodenbach, das ganze Erzgebirge bis zum Fichtelberg, das Egerlaud mit
dem Ascher Bezirke, der Böhmerwald bis in den Süden des Landes und wieder herauf
das böhmisch-mährische Gesenke bis Landskron-Grnlich im äußersten Osten; das Braunauer
Ländchen, die Südabhäuge des Riesengebirges mit ihren vielen Seiten- und Querthälern,
endlich das Jsergebirge bis abermals an die Bezirke Friedland-Reichenberg: das sind,
im weiten Bogen nm den gegebenen Mittelpunkt, die Landeshauptstadt, zugleich der
hervorragendste Handelsplatz des Gesammt-Kronlandes, grnppirt, ebenso viele, durch
Natur uud Geschichte herangebildete, in sich geschlossene, selbständige Wirthschaftsgebiete.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch