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in der Epoche nationaler Wiedergeburt die Spracherneuerung in stürmischem Fort-
schreiten die magyarische Sprache der Dichtkunst und Wissenschaft zu erschaffen, zugleich
aber auch die urwüchsige Sprache zu verderben begann, da entstand jenseits der Donau,
in Veßprem, fast zu derselben Zeit wie in Debreczin, jene conservative Richtung, welche
der allzu gewaltthätigen Spracherneuerung einen Damm setzte und die Nation mahnte,
das Gute vom Alten sich zu bewahren. In der großen Schar der Gelehrten und Schrift-
steller waren die jenseits der Donau Geborenen und Erwachsenen stets in der gebührenden
Verhältnißzahl zn finden. Doch eine weit größere Rolle als bei dem wissenschaftlichen
Wirken spielt das vunäntül in der Hervorbringung und Pflege der nationalen Dichtung,
in der Erweckung nationalen Geistes und Selbstgefühls. Als gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts das Deutsche die Sprache der vornehmeren Familien wurde und deren
literarische und poetische Bildung ein fremdes Antlitz gewann, als der magyarische
Genius gänzlich zu erlöschen schien, da erstanden auch jenseits der Donau Männer,
welche die volle Macht der Dichtkunst einsetzten, um die Nation an ihre geschichtliche
Größe zu erinnern und in ihr den Glauben an künftige Größe anzufachen. Berzfenyi
und Alexander Kisfalndy, Adam Horväth, Karl Kisfalndy und Vörösmarty legten den
Grund zur nationalen Dichtung und schönen Literatur. Und während in der Gegend
der oberen Theiß und von Tokaj Kazinczy und Kölcsey mit gleichem Feuereifer und
gleicher Begeisterung, doch nicht ohne fremden Beigeschmack, die Cultur der magyarischen
Poesie und nationalen Literatur zu gründen begannen, entwickelten die beiden Kisfalndy,
Berzsenyi und Vörösmarty in der Gegend des Badacsonyberges und Plattensees die
unverfälschte Urkrast der magyarischen Sprache und des nationalen Geistes. Eigentlich ist
die Neugeburt der ungarischen Nation gar nicht durch die Staatsmänner, sondern durch
die Dichter und Schriftsteller bewirkt worden. Wesselenyi und Szechenyi waren nur die
Nachfolger Kaziuczys und Köleseys, sowie Paul Nagy und Franz Deäk in der verfassungs-
mäßigen Fortentwicklung des Landes nur auf der Bahn einherschritten, welche bereits
die Kisfalndy, Berzsenyi und Vörösmarty in vollem Zielbewußtsein gebrochen hatten,
indem sie der Nation ein Selbstgefühl schufen und den Glauben an ihre Zukunft ein-
flößten. Volk, Boden, Vergangenheit und Genie erschaffen alle zusammen die großen
Dichter und Schriftsteller der Nation, und nirgends im Lande finden sich so viele Reize
der Natur, so viele Überlieferungen der Vergangenheit und ein so reines Magyarenthnm
des Volkes beisammen als in jenem Theile der Comitate Eisenburg, Veßprem und Zala,
wo Berzsenyi und die Brüder Kissaludy lebten und ihre Leier erklang.
Der Maßstab des materiellen Fortschritts ergibt sich aus dem Verhältnisse der
Landwirthschaft, der Fabrikation und der Verkehrsmittel. Das Land jenseits der Donau
besitzt außer diesem für alle Fahrzeuge schiffbaren Strome vier Haupt-Eisenbahnlinien,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Volume 16
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (4)
- Volume
- 16
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.18 x 21.71 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch