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In der auf die Bronze folgenden Eisenzeit war das Land jenseits der Donau, wie
ganz Mittel-Europa, von Kelten bewohnt, und zwar saßen sie, wie es scheint, am dichtesten
nördlich vom Zwischenlande der Donau und des Plattensees in den Comitaten Tolna,
Weißenbnrg, Pest, Gran und Komoru, sowie in der Gegend des Neusiedlersees. Dort
hauste der Stamm der Aravisker, hier der der Bojer, dessen Spuren wir auch in Ober-
Italien, Baiern und Böhmen begegnen. Diese, wie es scheint, von friedlicheren Neigungen
erfüllten, gelehrigeren Stämme des kriegerischen, durch eine mächtige Individualität
hervorragenden Keltenvolkes standen auf höherer Culturstufe und waren in Städten
ansässig. Dies beweist auch der Umstand, daß das Land jenseits der Donau sogar noch
in römischer Zeit nicht weniger reich an keltischen Ortsnamen war als Gallien selbst.
Nennen wir davon: Aquineum, Alisca, Bregetio, Sabaria, Scarabantia, Arabona,
Crnmernm, Cambona, Lugio, Curta, Matrica. Außerdem kennen wir aus römischen
Inschriften Unter-Pannoniens bisher schon über fünfzig keltische Namen.
Die Denkmäler aus der Keltenzeit stehen jedoch in keinem Verhältniß zur Zahl der
Ortsnamen, noch auch zu der wichtigen geschichtlichen Rolle, welche dieses Volk hier, vom
Beginn des IV. Jahrhunderts vor Christus angefangen, über 300 Jahre lang gespielt
hat. Der Zahl nach sind das Bemerkenswertheste die Grabhügel, deren größere Kammer
oder kleinere Höhlung zumeist mit Stein, seltener mit Holzpfosten ausgekleidet war; noch
seltener sind die mit Stein gewölbten Kammern. Solche Grabhügel finden sich am
häufigsten im Mittelpunkte des von keltischen Stämmen bewohnten Gebietes: im Weißen-
burger Comitate „Szäzhalom" („hundert Hügel") bei Erd, dann im Ereßtvnywalde bei
Csnrgö, auch bei Pätka und Alsö-Szent-Jvän; ferner bei Budapest, in der Kelensöld-
Ebene südlich des Blocksberges; bei Szalaczka im Somogyer, bei Bonyhäd (wiederum
„Szäzhalom") im Veßpremer,bei Csabrendek imZalaer,bei Hövej im ÖdenbnrgerComitat,
hier aber ganz besonders auf den Bergen bei Ödenburg. Diese Denkmäler haben längst
die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gelenkt. Sehr viele Hügel wurden auch eröffnet,
doch erfüllte ihr Inhalt die Erwartungen nicht. Außer Aschenurnen und den Scherben
einiger anderer Gefäße erhielt man nur wenige kleinere Eisen- und Bronzegegenstände,
während aus den Pätkaer Hügeln unter Anderem zwei silberne Gewandspangen an den
Tag kamen.
Die aus grobem Thon mit der Hand geformten und meist schlecht gebrannten Gefäße
oder deren Bruchstücke deuten durch ihr allerdings sehr primitives Ornament, so namentlich
durch den auf barbarische Art hergestellten Mäander, darauf hin, daß das Volk, dessen
Bestattungsplatz hier vorliegt, die römische Kunst schon kannte. Auch das Vorkommen
einiger Scherben von rothen Gefäßen spricht dafür. Dies erklärt sich entweder daraus,
daß die Kelten schon im V. Jahrhundert v. Chr. in Ober-Italien mit den Römern verkehrt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Volume 16
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (4)
- Volume
- 16
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.18 x 21.71 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch