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und Grabsteine zum Vorschein gekommen. Die ärmlichere Bestattungsart bezeugt die
bescheideneren Verhältnisse der Bevölkerung von Scarabantia und Sabaria. Särge wie
Grabsteine sind fast ohne Ausnahme aus dem in der Nähe ihres Fundortes gebrochenen
Kalkstein gefertigt, also zweifellos an Ort und Stelle gearbeitet.
Die Sargtruhe ist gewöhnlich aus einem Stück gehauen, desgleichen der Sargdeckel.
Die einfacheren haben vier glatte Seitenflächen und an der einen Breitseite die Inschrift.
An den stattlicheren Särgen ist die Jnschristseite tafelförmig beHauen. Der größte Luxus
besteht darin, daß rechts und links von dieser Tafel in einer Nische ein geflügelter Genins
von kindlicher Gestalt steht, der in einer Hand die gesenkte Fackel und einen Kranz hält.
Die Grabsteine sind länglich viereckige, etwa 1 bis 3 Meter hohe und 0 50 bis 1 Meter
breite Tafeln. Die einfacheren zeigen auf ihrer Fläche ein Feld, auf dem die Inschrift
steht. Die hübscheren sind in zwei oder drei Felder eingetheilt, die über einander liegen,
und mit einem mehr oder weniger verzierten Giebel gekrönt. Die einzelnen Felder sind
zuweilen mit Säulen, Blattwerk oder anderem Zierath eingefaßt. In dem oberen,
tiefer ausgemeißelten Felde, das eine Art Nische bildet, sieht man die Relief-Halbfiguren
von zwei oder drei Personen. Im darunter befindlichen schmäleren Felde ist gewöhnlich
eine Opferszene mit kleineren Figuren dargestellt; doch kommen auch andere Szenen,
zuweilen selbst Reiterfiguren vor. In das untere, wiederum große Feld ist die Inschrift
eingegraben.
Die Reliefs zeigen sowohl an den Steinsärgen, als auch an den Grabsteinen rohe
Formen und nachlässige Arbeit; ein Beweis, daß die Hauptstadt des Reiches, wo übrigens
die Plastik um diese Zeit ebenfalls schon zu sinken begann, in dieser Hinsicht noch immer weit
über die Provinz erhaben war, wo die Bildhauerei mit handwerksmäßiger Beschränktheit
geübt wurde.
Wie schon erwähnt, sind die Werke der Steinplastik in dieser Gegend sehr selten und
minderwerthig. Größere Götterstatuen und Kaiserbüsten, welche die Lager und Colonien
schmückten, fehlen gänzlich. Besondere Aufmerksamkeit erregen die Mithras-Denkmäler.
Sie sind wohl nicht als Kunstschöpfungen zu betrachten, aber insofern interessant, als sie ein
Licht auf die Zustände der Cultur und die Verbreitung des Mithrasdienstes werfen. Im
Mithränm zu Aquiucum wurde das Steinbild des felsgeborenen Mithras noch an seinem
ursprünglichen Staudort gefunden. Der fast 1 Meter hohe und 45 Centimeter dicke Stein
ist in seiner unteren Hälfte so beHauen, daß er eine aus mehreren Stücken zusammengesetzte
Felsmasse darstellt, um die sich eine Schlange windet, welche ihren Kopf dem aus der Fels-
masse emporsteigenden Mithras zuwendet. Die jugendliche, nackte Gestalt der Gottheit ist
von der Mitte des Oberschenkels an sichtbar; in der bis zur Schulterhöhe erhobenen Rechten
hält sie einen Dolch, in der Linken eine brennende Fackel. Der Stiertödter Mithras,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Volume 16
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (4)
- Volume
- 16
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.18 x 21.71 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch