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Betrachten wir die Bauweise des Somogyer Volkes, so dürfen wir nicht vergessen,
daß wir uns in einein Lande mit viel Wald uud gar keinem Gestein befinden, diese beiden
Eigenschaften treten denn anch in seiner Baukunst hervor. Ju neuerer Zeit ist man freilich
dahinter gekommen, daß der Somogyer Thon mit Aufwand von etwas Holz in vorzüg-
lichen Stein verwandelt werden kann, auch hat die Ziegelfabrikation im ganzen Comitate
einen großen Aufschwung genommen; da zeigt sich denn bei den Neubauten weit mehr
Comsort und Eleganz als je zuvor. Ein Vorzimmer, ein Gastzimmer, Thurmbetten mit
Bettzeug bis unter die Stubendecke, statt der umlaufenden Bank ein Divan, im Teller-
schrank Porzellangefäße statt der alten glasirten Kannen und Schüsseln: das ist die Ein-
richtung der Neuzeit; vom Alten ist außen nur der luftige Hausgang und innen der
Webstuhl, dieser Königinnenstuhl des Jnner-Somogyer Volkes, übrig geblieben. Die
Häuser dieses Schlages ragen, ja stechen grell hervor aus der Reihe der eigenartig
geformten Urväterwohnnugeu, die mit dem stumpfen Giebel ihres Daches, dem auf
Holzsäulen ruhenden Vordach und dem einzigen Fenster dem Vorübergehenden mürrisch
nachstarren. Viele dieser Häuser haben geschlagene Lehmwände, die aber der „Jnner-
Somogyer" Mensch als unhaltbar geringschätzt. Er hat sein Haus so gebaut, daß es
auf seinen Grundbalken Jahrhunderte lang stehen bleiben wird, wenn es nicht etwa
abbrennt. Abbrennen aber kann es nicht, denn er hat ihm keinen Schornstein ausgesetzt,
der sich entzünden könnte. Haus, Ställe, Scheune, Alles hat er auf einem Grund
von derben Eichenbalken aufgebaut; in diese Grundbalken hat er eichene Säulen
eingesalzt, die Zwischeuränme der Säulen mit Flechtwerk ansgefüllt und dieses dann
mit Lehm verschmiert; schließlich hat er dem Bau einen Dachstuhl aufgesetzt und ihn
gar geschickt und sauber mit einem guten, warmhaltenden Strohdach eingedeckt. Einen
Schornstein hat er nicht gebaut, denn da wäre ja die Küche kalt gewesen. Die
Wälder gestatten ihm den Luxus, seine grünglasirten Kachelöfen mit hartem Holz
zu heizen. Vor dem Hause streckt sich der Hausgang mit seinen hölzernen Säulen und
auch die Gassenseite hat eine solche offene Halle, deren Holzfäulen das verlängerte Dach
tragen. Bei einem eleganteren Bau würde ein feinerer Herr dies eine Veranda nennen,
der Somogyer Mann nennt es nur pitur (Vorhaus) und empfängt darin Sonntags seine
Nachmittagsgesellschaft. Seine Scheune hat er mit größerer Sorgfalt, ja mit mehr Luxus
gleichfalls auf Eichenbalken und Säulen errichtet, ihre Wände aus dicken, gezinkten
Eichenbrettern gefügt und sie ist weit höher, geräumiger und luftiger als sein Wohnhaus,
denn es soll seine gesammten Futtervorräthe fassen. Nach der Scheune folgt der Stall
und in manchem das Wappen des ungarischen Bauern, die vier Ochsen, die Kühe meistens
paarweise und auch Pferde in jedem, gesunde, gut gehaltene Racepferde, auf die der
Mann von Somogy stolz ist. Wie denn nicht! In Somogy, anf dem Rasen von Hetes,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Volume 16
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (4)
- Volume
- 16
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.18 x 21.71 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch