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In vielen Orten des nördlichen Mähren hält das Christkind am heiligen Abend
seinen festlichen Umzug. In früherer Zeit geschah dies in folgender lebendigen Art: zwei
Engel, der heilige Josef, das Christkindchen selbst waren die Hauptpersonen des Spiels.
Die „Engel" waren natürlich in weiße, bis zur Erde reichende Gewänder gekleidet, den
Kopf schmückten Kränze aus gemachten Blnmen, deren Blätter weit herab in das Gesicht
fielen, in der Rechten hielten sie ein von bunten Bändern umflattertes Scepter, aus einem
Tannenwipfel bestehend, der in drei Triebe endigte. Dort war häufig noch ein Mispelzweig
angebunden. In der Linken trugen die „Engel", welche von jungen Mädchen dargestellt
wurde», Körbe mit allerhaud Gaben: Obst, Lebzelt, Zuckerwerk, aber auch — rohe Erdäpfel,
Krautstrünke, Nußschalen und so weiter. Der heilige Josef erschien als Reitersmann. Ein
Bauernbursche stellte ihn dar. Vorne und rückwärts band er sich je ein Sieb fest. An dem
vorderen Siebe ward ein hakenförmig gekrümmtes starkes Holz befestigt, das — so wie
die ganze Gestalt des Knechtes — mit weißen Tüchern verdeckt ward. Durch die Siebe
und das Holzstück gelangte ein „Schimmel" znr Anschauung, welcher, um noch deutlicher
hervorzutreten, vorne aufgezäumt ward; durch zwei aufgenähte rothe Flecke wurden die
Augen bezeichnet. An dem gleichfalls mit weißem Linnen überzogenen Hinteren Siebe wurde
eine Art Roßschweif — oft nur durch lange Papierstreifen angedeutet — befestigt. Rechts
uud links hingen von der Mitte des Leibes lange rothe Strümpfe herab, die Füße des
Reiters darstellend. Das Gesicht des „heiligen Josef" trug einen aus Flachs oder Moos
gemachten langen Bart, der Kopf war mit irgend einem abenteuerlichen Hut bedeckt, die
Linke hielt die Zügel des Pferdes, die Rechte einen kurzen Stock. Das Christkindlein selbst
— von einer heranwachsenden Jungfrau dargestellt — trug gleichfalls ein weißes Gewand
und hielt in der Hand einen kleinen Christbaum. Dieser Gruppe von vier Personen schloß
sich ein größeres oder kleineres Gefolge von „Hirten" oder „Bedienten" (gewöhnlich drei)
an. Die Verkleidung derselben bestand nur darin, daß die Bauernburschen ihre Pelze mit
dem Fell nach auswärts umkehrten. Sie hielten hohe Stäbe in den Händen, mit welchen
sie zu ihren Gesängen durch Aufstoßen auf den Boden den Takt gaben. So zog die
Gesellschaft durch das Dorf und besuchte die Häuser, wo den Kindern ein Christbaum
angezündet wurde. Im Hause angelangt, traten erst die „Engel" in das Zimmer nnd
sprachen ihren Gruß. Hierauf trat der „heilige Josef" vor und ritt gravitätisch durch
die Stube und um den in der Mitte stehenden Tisch. Er erkundigte sich nach der
Ausführung der Kinder, sprach aber selbst von ihren zahlreichen Unarten. Zornig schlug
er hierbei mit seinem Stabe auf den Tisch. Nun kam das Christkindlein, „die Engel"
berichteten von der nicht ganz guten Ausführung der Kinder:
„Och Chreist, wenn iech Dir's söge sol: De Keinder thun neischt olls schelte onn liege,
De Welt ies diese Keinder vnol. Onn de Eltern woß ei dam Tod betriege."
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch