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Volksüberlieferung mehr und mehr verwischt. Der Vorläufer meldet das Nahen der Engel,
die Eugel verkünden die Ankunft Marias, die alsbald mit einem Korbe und eiuer kleinen
Wiege in den Häudeu erscheint. Sie fragt nach dem Betragen der Kinder und bekommt
zunächst die gewöhnliche nicht günstige Autwort. Auf Fürbitte der Engel und nach
Absingung eines Weihnachtsliedes werden die Kinder von Maria beschenkt. Nun tritt
Josef ein, dann die Hirten. Josef wiegt das Kind in der Wiege, welche von Maria auf
den Tisch gestellt worden, die Hirten bringen ein Lamm und singen den Hirtengesang.
Hierauf folgt ein Zwiegespräch zwischen Maria und Josef, in dem die liebevolle Sorge
um das Christkind zum Ausdruck kommt. Sie erbitten dann von den Anwesenden „einen
Groschen auf Hirsebrei" für das Kindlein. Josef ersucht den Hauswirth, ihm und den
Seinen Herberge zu gewähren. Sie wird nicht bewilligt. Da heben im Abgehen die Engel
und die Hirten an zu singen: ,<ZIc»ria, Aloria!« Der Hausvater erkennt seinen Fehler und
eilt deu Fortgehenden nach, sie zurückzurufen.
Den letzten Tag des Jahres (St. Sylvester) erfaßt das Volksbewußtsein in
seiner richtigen Bedeutung. Während der Vormittag die Geltung eines Werkeltages hat,
geht es Nachmittags fast festtäglich zu. Noch vor Anbruch völliger Finsterniß rufen die
Glocken die Gläubigen zur Kirche, wo der Priester eine fromme Betrachtung über Alles
anstellt, was uns der letzte Tag des rasch dahineilenden Jahres zu denken gibt, und den
heiligen Segen ertheilt. Wenn — nach beschlossener Andacht — auch alle die häuslichen
Geschäfte beendet sind, dann setzen sich alle Glieder der Familie, sowie das Gesinde und
mancher sonst alleinstehende Mensch, den man zu Gast geladen, um den großen Tisch in der
Wohnstube; man läßt sich's noch einmal im alten Jahre recht gut schmecken und erwartet
sodann unter Spielen, Scherzen, Singen die Stunde der Mitternacht und mit ihr die
Ankunft des neuen Jahres. Ein wichtiger Zeitabschnitt geht zu Ende; an solchen Wende-
punkten sieht man gerne zurück auf die Vergangenheit und fast noch lieber voraus in die
Znkuust. Besonders die Liebeslente! Die Mädchen werfen den Pantoffel über den Kopf
hinweg; ist seine Spitze gegen die Thüre gekehrt, dann wird jene, die ihn geworfen, bald
das Haus verlassen, um iu das eigene Heim einzuziehen; weist seine Spitze nach dem
Innern der Stube, dann ist ihre Zeit noch nicht gekommen und sie muß noch mindestens
ein Jahr lang warten. Ein sehr beliebtes Vergnügen an diesem Abend ist das Blei-
gießen. In blechernen Löffeln wird Blei zerschmolzen und dann ins Wasser geschüttet.
Eigenthümliche Figuren werden da offenbar, welchen freilich zumeist erst die Einbildungs-
kraft Gestalt und Namen gibt. Das Orakel verräth nicht blos, ob und wen man heiraten
wird, es gibt überhaupt auf jede Frage bezüglich der Zukunft die Antwort. Niemals ist
aber die Wirkung so verläßlich, als wenn das Blei von der Einfassung alter Kirchenfenster
oder gar der Fenster einer Friedhofskapelle genommen ist.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch