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truit — trug, Liouft — Luft, giout — gut. Freilich gehen die einzelnen Orte
in der Vocalfärbung oft weit auseinander. So ist um Zwittan die Entwicklung
der u und o gegen u weiter fortgeschritten als im Dialeet der nördlicher gelegenen
Dörfer Tattenitz und Bndingsdorf, der in dieser Beziehung fast um eine Stufe
zurücksteht.
Während ferner in Zwittan der Umlaut ü durch ui ersetzt wird: Stuibla, frni, tritt
im Norden ei, der Stellvertreter für tonlanges >, ein: Steibla, frei. Ebenso ist c»i — neu-
hochdeutsch eu verschieden gefärbt, und für mittelhochdeutsch i, ei tritt bald unterschiedslos
ai ein, bald wird der alte Diphthong durch Ä und c>a oder ü und uä von dem jüngeren
(ai) auseinander gehalten. Die Sprachinsel ist reich an Idiotismen, die allerdings oft nur
auf beschränktem Raume Geltung haben. Aus der nördlichen Gegend seien erwähnt:
s zänt mr — es schmeckt, paßt mir, Flomsn — Lippen, flämisch — höhnisch
flecken — weinen, Netz — Näscherei, haftig — geizig, Beginstisla — Brotranft
(österreichisch Scherzi).
Dabei fehlt es nicht an zahlreichen Eindringlingen; die einen stehen als solche
noch im Sprachbewußtsein und finden meist nur eine auf Redensarten eingeschränkte
Verwendung, z. B. sich auf der Fatka aufhalten -- herumschmarotzen, sich beHelsen, von
eechisch latku — umsonst; andere genießen, in deutsche Form gehüllt, bereits das
Bürgerrecht, wie: Nosedel — Tragstangen von eechisch nosiäla.
Obwohl das Land im Nordosten nur durch einen schmalen Streifen von dem
zusammenhängenden deutschen Sprachgebiete abgetrennt ist, wird, nach dem Gesammt-
charakter zu schließen, die Grundlage des Dialectes nicht im Schleichen, wogegen
schon die durchgreifende Nasalirnng sprechen würde, sondern im Mittelfränkischen zu
suchen sein.
Ebenso gehören der Dialeet der Olmützer Dorfbewohner und jener der 30 Kilo-
meter westlicher gelegenen Sprachinsel von Wachtl und Deutsch-Brodek dem Mittel-
deutschen an. Der Vocalismus entbehrt jedoch hier der zahlreichen, durch i-Laute
hervorgerufenen Tonerhöhungen, welche dem Gebirgsdialect von Zwittau und Trübau
eigen sind. Verschiedene sprachgeschichtliche Grundlagen lassen sich auch hier nicht verkennen;
eine Analyse würde z. B. ergeben, daß die frühere Heimat der Brodeker, deren Mundart
eine Reihe schlesischer Lauteigenthümlichkeiten aufweist, nördlicher lag als jene Gegend,
aus welcher ihre Nachbarn, die Wachtler, einst zugewandert kamen. Überhaupt bieten die
deutschen Sprachinseln dieses in dialeetologischer Beziehung so hochinteressanten Landes
einen fruchtbaren Boden für wissenschaftliche Einzelforschnng. Nicht nur die mährische
Landeskunde, sondern auch die Entwicklungsgeschichte der deutschen Sprache könnte von
hier aus noch manche werthvolle Bereicherung erfahren.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch