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wird es frühzeitig ergrauen. Wenn dagegen die Rosen blühen, wird es gesund nnd
rothwangig sein. In einigen Gegenden wird nach einer alten löblichen Sitte dem neu-
geborenen Kinde ein Obstbänmchen gepflanzt, welches dann mit großer Sorgfalt gepflegt
wird; denn von seinem Gedeihen hängt das Gedeihen des Kindes ab.
Schnell werden die Anstalten getroffen, um das Kind sobald als möglich in
die Kirche zur Taufe zu bringe«, denn man will keinen Heiden im Hanse haben. Die
Gevatterschaft, selbst dem Geringsten und Ärmsten, zu verweigern, wird für eine große
Sünde erachtet; der Gevatter baut sich eiue Stufe in den Himmel. Gewöhnlich werden zu
alleu Kindern dieselben Gevatter genommen; nur wenn den Eltern fünf Kinder nach
einander sterben, sollen sie beiin sechsten die Gevatter wechseln. Die walachischen Mütter
lassen alle ihre Kinder in einem und demselben Henidchen zur Taufe tragen, damit sie
mit einander in Liebe und Eintracht leben. Der Wöchnerin schickt die Gevatterin jeden
zweiten Tag eine Henne in Nudelsuppe und verschiedene Mehlspeisen, dazu einen Krug
Bier oder eine Flasche Wein; auch die Frauen der nächsten Anverwandten und Nachbarn
stellen sich zwei- bis dreimal während des Wochenbettes mit Eßwaaren ein.
Der Mutterbrust genießt das Kind gewöhnlich ein volles Jahr. Wie die Zeit der
Geburt, so ist auch jene der Abfüllung vorbedeutend für die Zukunft des Kindes. „Wenn
sich der Wald ins Grün kleidet", soll man das Kind abstillen, nicht aber wenn Blüte oder
Lanb vom Banme fällt. Nicht räthlich ist es, das Kind abzugewöhnen, wenn der Mond
im Abnehmen ist oder „wenn die Säcke offen sind", das heißt zur Zeit der Aussaat; in
diesem Falle würde es ein Verschwender.
Die zarte Mutterliebe, oder wenn man will, das abergläubische Gemüth ist stets
darauf bedacht, schädliche Einflüsse vom Kinde abzuwehren und dessen leibliches und
geistiges Gedeihen zu fördern. Auf die liuke Seite bettet die Mutter das Kind niemals,
damit es nicht linkisch werde. Die Windeln dürfen nicht in den Wind gehängt werden,
sonst würden das Kind die Winde aufblähen. Auf das erste Kleidchen wird dem Kinde
nicht gemessen, sondern nur so nach dem Augenmaß zugeschnitten, damit es frei und
unbehindert wachse und Wohlgestalt werde. Wenn die Mutter mit dem Kinde zum
erstenmal übers Wasser geht, wirft sie ein Stückchen Brot hinein, damit das Kind einen
guten Schlaf habe und „wie aus dem Wasser wachse". Innerhalb des ersten Lebens-
jahres, hier und da sogar innerhalb der ersten sieben Jahre wird dem Kinde das Haar nicht
geschnitten, sonst würde man ihm den Verstand verkürzen. Die ausfallenden Kinderzähne
soll die Mutter mit Brot verschlucken, dadurch werde das Kind vor Zahnschmerzen bewahrt.
Wenn das Kind von der Tanse nach Hause gebracht wird, löst ihm die Mutter schnell das
Wickelband, damit ihm bald die Zunge sich löse. Den Huud jagt man von der Wiege weg;
das Kind könnte von ihm die Schwindsucht bekommen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch