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Ober dem Tische in der Ecke, hinter welchem die Brant mit den Kranzeljungfern beim
Mahle saß, werden die Heiligenbilder von der Wand abgenommen, die Brant stellt sich
auf die Bank in die Ecke, links und rechts vor ihr stehen die „Verkäuferinneu" (Frauen).
Nachdem die Braut in einem rührenden Liede Abschied von ihrer Freiheit und ihren
Jugendgespielinnen genommen, machen sich die Frauen daran, ihr den jungfräulichen
Kopfschmuck Stück für Stück abzunehmen. Bei der Abnahme eines jeden Bestandtheiles
wird ein sinnvolles alterthümliches Lied gesungen. Dann wird der Bräutigam, der
indessen im Vorhause wartet, gerufen, daß er der jungen Fran das Kopstnch bringe.
Der Bräutigam bringt im Hute ein neues Kopftuch und setzt seinen Hut sammt dem
Tuche der Braut aufs Haupt. Die Brautmutter nimmt ihr den Hut wieder ab, schneidet
von ihm den Strauß ab, legt ihn sammt dem der Braut abgeuommenen Kopfschmuck in
den Hut uud übergibt diesen dem Bräutigam, „zum Zeichen, daß sie alle Sorgen
gemeinschaftlich mit einander tragen sollen". In einigen Gegenden ist es Sitte, daß der
Bräutigam seiner Braut den Haarzopf löst. Hierauf winden die Frauen der Braut deu
Haarzopf, deu die ledigen Mädchen herabhängend tragen, um den Kopf, legen ihr die
Haube an und binden ihr das vom Bräutigam geschenkte Kopftuch um. Die so unter
die Haube gebrachte Braut wird dauu feilgeboten. Eine von den umstehenden Frauen,
die „Verkäuferin", ruft ihren Preis aus uud ladet die anwesenden Männer znr Lieitation
ein, wobei sie nicht aufhört, sich iu Lobeserhebungen ihrer Vorzüge zu ergehen. Einzelne
Käufer treten herbei, verabreden den Kaufpreis und erlegen ihn, bekommen aber mit
einem Tuche verhüllt eine von den umstehenden Frauen, die als ein hinkendes altes Weib
zurückgewiesen wird. Nach mannigfaltigen Reden, Gesängen und Scherzen erscheint zuletzt
der Bräutigam, erlegt den höchsten Preis und bekommt die Braut.
Mittwoch vormittags versammeln sich wiederum die Hochzeitsgäste bei der Braut.
Nach einem kurzen Mahle nimmt die Braut von den Eltern, von den Geschwistern und
von allem, was ihr daheim lieb und theuer war, rührenden Abschied. Die Braut zerfließt
da iu Thränen, und in ihrem Namen singen die Kranzeljnngfern tief ergreifende Abschieds-
lieder. Unterdessen wird die Ausstattung der Brant auf einen Wagen geladen, die
Hochzeitsgäste besteigen die bereitstehenden Wagen und fahren langsam in der Ruude um
das ganze Dorf zum Hause des Bräutigams. Auf dem ersten Wagen fahren stehend die
Musikanten und die Brautführer, auf dem zweiten die Männer, auf dem dritten die Fraueu
mit der Ausstattung und einem großen Kuchen als Geschenk der Braut für die Schwieger-
mutter, auf dem letzten die Braut mit den Kranzeljungfern und dem Hochzeitsbaum.
Während der ganzen Fahrt werden entsprechende Lieder gesuugeu. Mit Liedern melden
sich auch die Gäste bei den Eltern des Bräutigams an, bitten um Einlaß und empfehlen
die Braut der liebevollen Obhut der Schwiegereltern.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch