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unter dem fremden Volke hat der Soldat an seinem Rosse seinen einzigen aufrichtigen
und getreuen Freuud. Wie leid thut es da unserem Soldaten, daß er auf den langen
Märschen sei» Rößlein abquälen muß. Diesem seinem Mitleid gibt er im Liede in der
Art Ausdruck, daß er das Roß sich selbst über die Härte seines Reiters beklagen läßt:
„Mein schwarzbrannes Rößleiu, warum bist du so traurig, so niedergeschlagen? Drückt
dich etwa meine Rüstung oder mein Säbel von Stahl?" „Nicht drücket mich deiue Rüstung,
noch dein Säbel von Stahl, aber wehe thnn mir deine Sporen, die mich in die Seiten
stechen. Meine Seiten sind eine Wunde, zerstochen von deinen Sporen." Wenn das Lied
die Strapazen des Soldaten im Felde schildert, vergißt es nicht seines getreuen Leidgenossen:
„Und in dem weiten Felde ist kein Tröpflein Wasser, womit soll der arme Soldat sein
Rößlein tränken?" Und wenn nnser Soldat in der Schlacht fällt, da steht sein treuer
Rappe neben ihm, scharrt mit dem Fuße und trauert um ihu.
Besonders ist es die leichtbeschwingte sangesfrohe Vogelwelt, mit der das mährische
Volk in seinen Liedern im beständigen Contact nnd gemüthlichen Verkehr steht. Der
Bogel vermittelt als willkommener oder mich unwillkommener Bote den Verkehr zwischen
den getrennten Liebenden. Er übermittelt dem in der Fremde weilenden Bnrschen von
seiner Geliebten Brief nnd Gruß, aber auch die Aufkündigung der Liebe, oder bringt auch
vou selbst dem Mädcheu die traurige Nachricht vou der llutreue des Geliebten. Den Vögeln
klagt der Mensch sein Leid und ruft ihre Theilnahme an. Wenn der Hochzeitszng zur Kirche
geht, bittet die Braut, den Weg nicht durchs Dorf, souderu durch de» grüne» Hain zn
nehmen, damit die Nachtigall ihre Hochzeit dnrch ihren Gesang verherrliche, nnd der im
Grabe Ruhende sieht es als sein härtestes Loos an, daß es ihm versagt ist, den lieblichen
Vogelgesang nnd den tranlichen Knkuksruf zu vernehmen.
Ein sehr aumuthiges Liedchcu läßt deu Sperber seiuem „Bruder" Habicht klage»,
daß ihm die Menschen sein Weibchen erschlagen und seiu Nest zerstört haben, worauf ihm
dieser deu weisen Rath ertheilt, er möge sein Nest im tiefen Walde bauen, abseits vom
Wege, den sowohl der Gute wie der Böse wandle. Mit innigster Theilnahme begleitet ein
anderes Lied die verwitwete Wachtelmutter, die im Herbst mit ihren „Kindern" das öde
Stoppelfeld verlassen nnd über die Donau ins fremde Land wandern muß. Selbst der
rauhe Jäger läßt sich von dem Falken erbitten, sein Leben zn schone» u»d ih» nicht von
seine» kleiueu Kindern wegzuschießen.
Aber auch die leblose Natur: Souue, Mond und Sterne, Flüsse, Bäche und Quellen,
Bäume, Sträuche uud Blume» erscheine» i» »»seren Lieder» i» das innigste gemüthliche
Verhältniß zum Meuscheu gerückt.
Dieselbe Gemüthstiefe leuchtet uus auch aus jeneuLiederu entgegen, die das Verhältniß
des Einzelnen zur Familie, des Menschen zu Gott zum Gegenstand haben. In unseren
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch