Page - 261 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Volume 17
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mittleren Landstrichen Mährens, mit mythischem Nebel nmwobeu, in dankbarem Andenken
des Volkes lebt.
Unter den, den Namen einer Örtlichkeit erklärenden Sagen dürfte jene von dem
großartig schauerlichen Abgrunde Mazocha bei Blansko die bekannteste sein. Sie erzählt
von einer Stiefmutter (böhmisch inaeoelnl), die ihr Stiefkind in deu Abgrund hinterlistiger-
weise hinabstieß; die Gränelthat wurde jedoch infolge der wunderbaren Errettung des
Kindes ruchbar und vom erzürnten Volke an der Verbrechern! mit demselben Tode
gesühnt.
Viel mehr als bei den loeal begrenzten Sagen doenmentirt sich die Stammeseinheit
des eechoslavischen Volkes in Böhmen, Mähren und der ungarischen Slovakei in den
Märchen, von denen die meisten dem ganzen Volksstamme gemeinsam sind und somit weit
über die Landesgrenze übergreifen. Mitunter findet man jedoch in den Märchen der östlichen
Bevölkerung des Landes Anklänge an specifisch ungarisch slovakische Motive von mehr
dramatischer Färbung. Die Märchen des westlichen Theiles von Mähren hingegen ähneln
mehr den böhmischen Märchen, welche sich vorwiegend in Witz, Humor und Satire
gefallen, so daß sich das Land Mähren wie in so mancher ethnographischer Beziehung
auch hinsichtlich seines Märchenschatzes als ein Bindeglied zwischen den Cechen im König-
reiche und den Slovaken Ungarns darstellt. Hierbei ist es fraglich, ob man von specifisch
hanuakischeu Märchen als solchen sprechen kann, ganz abgesehen davon, daß der ehemalige
Märchenschatz der Hanna heute beinahe schon vollständig versiegt ist; denn was darunter
als specifisch haunakisch gelten kann, das sind zumeist bloße anekdotenartige Erzählungen,
die durch deu derbeu, packenden Humor, der den« Haunaken überhaupt eigen ist, charakterisirt
werden. Daß dem mährischen Volke auch eine Anzahl von Märchen bekannt ist, die als
international gelten können, wird namentlich bei dem seit Jahrhunderten bestehenden engen
Verkehre mit den deutschen Nachbarn nicht überraschen. „Gevatter Tod", das „Tischlein
deck' dich", das „Aschenbrödel" u. s. w. siud auch in ganz Mähren gute Bekannte, wenngleich
sie hier manchmal eine etwas abweichende Gestalt annehmen. Ebensowenig fehlen hier
Anklänge an die orientalische Volksdichtung. So kann man das aus „Tausend und eine
Nacht" wohlbekannte Märchen von der Wunderlampe auch in Mähren mit ganz derselben
Handlung hören, wobei die mährischen Walachen, die bis vor kurzem keine Lampen
kannten, die Lampe durch ein mit derselben Zauberkraft versehenes Thürschloß ersetzen.
Am zahlreichsten sind — wie in der ganzen cechoslavischen Märchendichtung
überhaupt — auch in der mährischen die Sonnenmythen vertreten, welche die Bezwingung
des Winters und die Anserweckniig der Natur aus ihrem Winterschlaf in den verschieden-
artigsten Allegorien zum Gegenstand haben. Der Heldenjüngling, der die schöne Jung-
frau dem Lindwurm entreißt und diesen tödtet, oder die drei goldenen Federn des am
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch