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Die mährische Wollindustrie blieb niemals hinter ihrer Zeit zurück. Sie wußte sich
immer den geänderten Bedürfnissen uud dem technischen Fortschritt anzupassen. Darum
bietet mich ihre Entwicklung, die wohl manchmal von Stockungen, doch niemals von
Krisen gehemmt wurde, das Bild einer stetig aufsteigenden Linie.
Große Änderungen brachte die neuere Zeit in Bezug auf das zu verarbeitende
Rohmateriale . Einstens wurde der Wollenbedarf durch die Monarchie, namentlich
Mähren und Ungarn und nur zum Theile durch Preußen und Rußland gedeckt. Dieser
Umstand bedeutete einen entschiedenen Bortheil, den die mährische Industrie ihrer geo-
graphischen Lage zu verdanken hatte und der gewiß auch mit zu ihrer Entfaltung beitrug.
Bei zunehmender Cultur und Bevölkerung hat sich die Landwirthschaft von Jahr zu Jahr
mehr der Schafzucht entfremdet, während der Verbrauch an Wollwaaren und damit die
Nachfrage nach Wolle stieg. Diesem Mangel wurde durch die wachsende Einfuhr eolouialer
Wollen abgeholfen, deren Verarbeitung wiederum Änderungen in der Fabrikationsweise
bedingte. Gegenwärtig ist die Vorherrschaft der überseeischen Spinnereistoffe unbestritten,
was für Mähren von großer Tragweite ist. Es ist des Vortheils, welcher ihm zufolge
seiner geographischen Lage früher bei Bezug des Rohstoffes zu Theil wurde, beraubt und
gegenüber der ausländischen Spinnerei in Nachtheil gesetzt.
Neben Wolle werden sür einzelne Artikel seit langer Zeit anderweitige Thierhaare
und Seide verwendet. Die ausgedehnte Heranziehung von Spinnerei-Abfällen, Knnst- und
Baumwolle fällt in die letzten zwei Decennien. Es ist dadurch möglich geworden, den
Artikeln dieser Industrie und namentlich den sogenannten Modewaaren eine bislang
ungeahnte Verbreitung bei den unteren Volksschichten zu verschaffen, die Preise der Waare
außerordentlich zu verbilligen und die Produktion namhaft zu steigern.
Die Wollspinnerei prodncirt Streich- und Kammgarne. Die Lage der Streich-
garnspinnerei war eine sehr wechselvolle. Rasch wurde seit Einführung der mechauifcheu
Spinnmaschine die hausindustrielle Production auf diesem Gebiete unmöglich gemacht.
Große Etablissements, die lediglich dem Zwecke der Lohnspinnerei dienten, florirten. Da
wandte sich die Mode dem Kammgarn zu und gegen Ende der Achtziger-Jahre wurde die
Lage der Streichgarnspinnerei eine immer bedrängtere. Wiewohl technisch außerordentlich
leistungsfähig und die großen Schwierigkeiten bei Verarbeitung von Wollsurrogaten mit
staunenswerther Geschicklichkeit überwindend, konnte sie sich doch nicht auf ihrer Höhe
erhalten und mußte zu Betriebsreductiouen schreiten.
Die Kammgarnspinnerei ist in der Markgrafschaft durch ein einziges, jedoch
sehr bedeutendes Etablissement vertreten. Die Illustration zeigt das Innere eines Spinn-
saales desselben. Dieser Industriezweig setzt eine hochentwickelte Weberei voraus, erfordert
großes Capital und eine fehlerlose Technik. Vom Weltmarkt abhängig, hat er seine
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch