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lateinischer Ausdrücke aus dem Kirchlichen ins Volksleben. Leider haben sich aus jener
Zeit keine Spuren der polnischen Sprache, sei es in Prosa (Predigten, Psalmen), sei es in
Versen (Kirchenlieder) erhalten, die man diesem Lande zuweisen könnte. Doch sei hier
wenigstens auf ein Mauuscript aus dem Jahre 1526 hingewiesen, das sich iu der
Scherschnik'schen Bibliothek in Teschen befindet. In diesem befinden sich neben einer reichen
Sammlung lateinischer Texte (Psalmen mit Noten) auch vier polnische Kirchenlieder.
Die Ursache, warum die polnische Literatur in jener Zeitperiode zu keiner Ent-
wicklung gelangen konnte, lag in den politischen Verhältnissen. Das Land litt unter den
beständigen Kriegen der sich befehdenden schleichen Fürsten, die dünne Bevölkerung wurde
gelichtet, die Ortschaften eingeäschert, die Felder verwüstet. Schon im XIII. Jahrhundert
sahen sich die schlesischeu Herzoge veranlaßt, deutsche Ansiedler ins Land zu rufen. Das
polnische Recht wich dem deutscheu Städterecht und deutsche Sitte und Sprache, welcher
die den polnischen Piasten entfremdeten schleichen Herzoge immer mehr sich zuneigten,
gewann in den Städten das Übergewicht. Seitdem aber das Herzogthum Schlesien ein
Lehen der böhmischen Krone wurde, fand auch die schon damals entwickelte böhmische
Sprache im Volke Verbreitung uud erlangte in der Folge die Herrschaft in Kirche. Amt
und Schule. Auf diese Weise wurde die zweite, die böhmisch-polnische Literaturperiode
begründet.
Im XVI. Jahrhundert erlangte die polnische Sprache durch die Bemühungen hoch-
begabter Schriftsteller und unter dem belebenden Einflüsse der Reformation einen solchen
Formenreichthum, eine solche äußere Glätte und feste grammatische Gestaltung, daß die
Werke aus jener Zeit noch heute als Muster des Stils gelten. Die Schriften eines
Nikolaus Rej, zumal seine Kirchenpostille, eines Johann Kochanowski, besonders dessen
Psalmenübersetzung, dann die Postillen eines Gregor aus Zarnowiec und Samuel
Dambrowski fanden im Technischen große Verbreitimg und bilden noch heute die
Lieblingslectüre des Volkes, zu der die Bibel in der Laudessprache, endlich Gesang-
nnd Andachtsbücher hinzutreten. Redner und Schriftsteller bedienten sich mit Vorliebe des
biblischen Ausdrucks, welcher lauge Zeit als Muster der Nachahmung diente. Aber anch
die geistliche Poesie trieb frische Blüten; die eben erwähnten Psalmen I. Kochanowski's
wurden wegen ihrer formvollendeten Sprache beifällig aufgenommen. Unter den Kirchen-
liederbüchern erfreute sich aber bei der protestantischen Bevölkerung keines einer so
dauernden Verbreitung als das böhmische Gesangbuch des Georg Trzauowsky. Dieser,
geboren zu Teschen im Jahre 1591, verfaßte nebst anderen Schriften ein Kirchenliederbuch,
welches noch heute im Gebrauche ist. Die unermüdliche Wirksamkeit Trzanowsky's als
Lehrer, Prediger und Schriftsteller hat ihm den Beinamen des „polnischen Luther"
verschafft.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch