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— im oberungarischen Museum 270 Stück zu Messern, Sägen, Pfriemen, Pfeilspitzen
verarbeitete Obsidian- und Feuersteinsplitter aus den Funden von Abauj-Szäntö, Pilin
und Magyaräd. Außerdem sieht man dort eine große Anzahl Steinbeile, Keile (Meißel),
Pfeilspitzen von verschiedener Form und Länge, welche, obwohl von verschiedenen Fund-
orten dahin gelangt, dennoch eine überraschende Ähnlichkeit ausweisen. Dies kann als
Beweis dienen, daß der steinzeitliche Mensch auf einem ausgedehnten Gebiete gleichzeitig
gelebt hat und die Benützung der Steinwerkzeuge nicht nur in jener Gegend verbreitet war,
wo sich das zu ihrer Herstellung geeignete Materiale vorfand, sondern auch in viel ent-
legeneren, schon an das Alföld stoßenden Gebieten. Dafür scheinen unter Anderem noch
die Funde im Bereger und Unger Comitat zu sprechen, wo Steinkerne und Splitter von
Obsidian in Menge gefunden werden, obgleich dieses Gestein in jener Gegend gar nicht
vorkommt. Mit Recht hebt dies der treffliche Archäolog Theodor Lehöezky bei der Charakteri-
sirnng der urzeitlichen Denkmäler im Bereger Comitate hervor, und der durch ihn bekannt-
gemachte Obsidian-Steinkern von Mezö-Käßony, sowie die Pfeilspitzen von Dävidfalva
und Munkäcs, und noch zahlreiche an anderen Orten gefundene Obsidianwerkzeuge liefern
den nämlichen Beweis.
Die anffallende Ähnlichkeit dieser, sowie der in den benachbarten Comitaten Ung,
Ugocsa, Märamaros und Szatmär gemachten steinzeitlichen Funde läßt denselben Forscher
sogar noch weiter gehen, und da in jener Gegend ähnliche, primitiv gearbeitete Werkzeuge
aus dort vorkommendem Gestein bisher noch nirgends gefunden wurden, gelangt er zu dem
Schlüsse, daß die Obsidiaugeräthe dieser Gegend schon in die uns näher liegende neolithische
Zeit des polirteu Steins zu verlegen sind. Woraus dann wieder zu schließen wäre, daß
in den nördlichen Gegenden Oberungarns der Mensch früher gelebt habe als in den weiter
unten gelegenen südöstlichen Comitaten.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, uns in einen Streit über diese Theorie einzu-
lassen; allein wenn wir bedenken, wie zäh der Mensch sich an seine gewohnte Lebensweise,
an seine Geräthe klammert, uud wenn wir noch jetzt die Erfahrung machen, daß neben dem
vollkommeneren eisernen Pflug doch auch durchgehends der hölzerne in Gebrauch steht,
dann können wir auch nicht bezweifeln, daß in der vorgeschritteneren Steinzeit neben dem
polirten Steinbeil auch der Rohstein und Splitter noch lange benützt wurden, sowie in der
Bronzezeit neben dem Metall auch die steinernen Geräthe überall gebräuchlich waren. Und
wenn wir sehen, daß in unseren Tagen ein Stanley längs des Congo und Aruwimi eine
ganze Reihe von Niederlassungen und Ländern noch gegenwärtig lebender urzeitlicher
Menschen entdeckt und in seiner IKOtägigen Wanderung durch den diese Gegend bedecken-
den Urwald Waffen, Geräthe und Kunstgegenstände unserer Zeit zu Tausenden als
Geschenke vertheilt, oder den Eingeborenen tauschweise überläßt, die dann neben den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch